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Date :  2015-09-18
langue :  Allemand
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Warum Grenzmauern vergeblich sind


Man kann es das Jahr der Grenzmauern nennen. 2015 haben Estland, Ungarn, Kenia, Saudi-Arabien und Tunesien allesamt die Errichtung von Sperranlagen an ihren Grenzen angekündigt oder mit dem Bau begonnen. Wir mögen im Zeitalter der Globalisierung leben, doch weite Teile der Welt setzen verstärkt auf eine Beschränkung des freien Personenverkehrs.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat es rund um den Globus nur fünf Grenzmauern gegeben. Laut Elisabeth Vallet von der Universität von Québec in Montreal sind es heute 65, von denen drei Viertel in den vergangenen 20 Jahren errichtet worden sind. Und in den Vereinigten Staaten versprechen republikanische Präsidentschaftskandidaten weitere. Der Spitzenreiter der Republikaner, Donald Trump, hat wiederholt den Bau einer Mauer entlang der gesamten Grenze zu Mexiko angeregt. Und in einer sonntäglichen Talkshow erklärte ein weiterer Präsidentschaftsbewerber der Republikaner, Scott Walker, Gouverneur von Wisconsin, der Bau einer Mauer an der US-Grenze zu Kanada sei „eine legitime Überlegung, die wir prüfen sollten“.

Dabei sind existierende Grenzmauern weder kostengünstig, noch wirksam. Die Errichtung der israelischen Mauer zum Westjordanland hat über 1 Million US-Dollar pro Meile (rund 1,6 km) gekostet. Die Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten schätzt die Kosten für die Errichtung und den Betrieb der existierenden 670 Meilen des Grenzzaunes zwischen den USA und Mexiko über die erwartete Nutzungsdauer der Sperranlage von 20 Jahren auf 6,5 Milliarden US-Dollar. Ausgehend von dieser Summe würde die Befestigung der verbleibenden 2.000 Kilometer der mexikanischen Grenze über 12,6 Milliarden US-Dollar kosten. Die Errichtung einer Mauer entlang der knapp 9.000 Kilometer langen Grenze zu Kanada würde fast 50 Milliarden US-Dollar kosten und dabei mitten durch die Start- und Landebahn eines Flughafens, ein Opernhaus, Wohnhäuser und Geschäfte führen, die sich beiderseits der Grenze erstrecken.
Es spricht auch nicht viel dafür, dass Grenzmauern den gewünschten Zweck erfüllen. Gefängnisse zeigen zwar, dass kurze, gut bewachte Mauern Bewegung außerordentlich wirksam unterbinden können. Doch sogar Gefängnismauern sind nur so wirksam wie die Wachen, die dafür sorgen, dass sie nicht überwunden werden, und Wachen können anfällig für Bestechung sein. Die kürzlich erfolgte Flucht des Drogenbosses Joaquín „El Chapo“ Guzmán aus einem mexikanischen Gefängnis wirft ein Schlaglicht auf eine weitere Schwachstelle von Grenzmauern: Tunnel. Seit 1990 haben Grenzschützer der US Border Patrol 150 Tunnel unterhalb der Grenze zwischen den USA und Mexiko entdeckt. Wer Geld hat, wird Grenzen jederzeit überwinden können, ob mit gefälschten Dokumenten, Bestechungsgeldern oder erfinderischer Infrastruktur.
Am effektivsten lässt sich die Zuwanderung mittelloser Migranten und Flüchtlinge durch befestigte Grenzen stoppen. Und selbst dann werden Migranten weniger an einem Übertritt gehindert, sondern die Grenzbefestigungen lassen diese allzu oft auf gefährlichere Übergangsstellen ausweichen. Das Resultat ist eine steigende Zahl vorhersehbarer Todesfälle. Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration zufolge sind von 2005 bis 2014 rund 40.000 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, eine Grenze zu überwinden.
Anders als die Außenanlagen eines Gefängnisses können Grenzen Tausende von Kilometern lang sein, was eine angemessene Überwachung erschwert. Die USA beschäftigt über 20.000 Grenzschutzbeamte; doch selbst wenn alle gleichzeitig im Dienst wären, müsste jeder einzelne einen rund 520 Meter langen Abschnitt bewachen.
Mithilfe von Geräten wie Kameras, Bewegungsmeldern, Drohnen, Helikoptern und Fahrzeugen lassen sich natürlich lange Grenzabschnitte durch die Behörden kontrollieren. Doch die Notwendigkeit, Grenzmauern zu überwachen verweist auf eine ihrer Grundwahrheiten: Historisch betrachtet haben sich die meisten als ziemlich nutzlos erwiesen. Die berühmtesten Abschnitte der Chinesischen Mauer wurden innerhalb weniger Jahrzehnte nach ihrem Bau überrannt. Als Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Frankreich einfiel, wurde die Maginot-Linie einfach umgegangen. Zwischen dem Bau und dem Fall der Berliner Mauer lagen weniger als 30 Jahre.
Tatsächlich können Grenzschützer mitsamt entsprechender Ausrüstung ihre Arbeit ohne eine physische Barriere genauso effektiv verrichten. Mauern und Zäune verlangsamen den Grenzübertritt von Menschen allenfalls und sind somit vom Standpunkt der Sicherheit eine schlechte Investition. Aus militärischer Sicht sind sie ähnlich unwirksam. Sie lassen sich mit Raketen und Flugzeugen überfliegen und von Panzern durchbrechen.
Trotz ihrer hohen Kosten und geringen Wirksamkeit sind Mauern bei politischen Entscheidungsträgern und Politikern nach wie vor beliebt. Sie dienen als imposanter und greifbarer Beweis, dass im Hinblick auf Migration etwas unternommen wird. Es mag wirkungsvoller sein, Menschen mithilfe von modernen Überwachungsanlagen und Grenzschützern vor Ort davon abzuhalten, Grenzen zu überschreiten, aber eine Mauer lässt sich als politisches Requisit benutzen.
Falls Donald Trump jemals seine Mauer baut, sollte er eine richtig schöne bauen, so wie die Chinesische Mauer. Vielleicht wird sie dann eines Tages zu einer beliebten Touristenattraktion – und erfüllt letzten Endes eine nützliche Funktion.

Aus dem Englischen von Sandra Pontow.


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