Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte (ECSR) hat heute seine jährlichen Schlussfolgerungen für 2014 veröffentlicht. Der Bericht zeigt in 41 Mitgliedstaaten des Europarats 252 Verletzungen der Europäischen Sozialcharta auf. Die Charta ist eine Art Gegenstück zur Europäischen Menschenrechtskonvention im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Der ECSR nahm 725 Schlussfolgerungen zu Artikeln der Charta an, die Arbeitsrechte betreffen: das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (Artikel 2), das Recht auf gerechtes Arbeitsentgelt (Artikel 4), das Recht auf Freiheit zur Vereinigung (Artikel 5), das Recht auf Kollektivverhandlungen (Artikel 6), das Recht auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen (Artikel 21) auch bei Massenentlassungen, das Recht auf Beteiligung an der Festlegung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Artikel 22), das Recht auf Würde am Arbeitsplatz (Artikel 26), das Recht von Arbeitnehmervertretern im Betrieb auf Schutz gegen Benachteiligungen (Artikel 28).
Es gab 338 Schlussfolgerungen zur Konformität, wobei sich die Anzahl der „Aufschübe“ (Fälle, in denen der Ausschuss die Lage aufgrund unzureichender Informationen nicht beurteilen konnte) auf 135 Fälle belief. Der Ausschuss erhielt Stellungnahmen einiger nationaler Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen (Spanien, Finnland, Schweden, Griechenland und Georgien).
Neustart für Europa in Turin
Das Jahr 2014 war geprägt von der hochrangigen internationalen Konferenz zur europäischen Sozialcharta, die am 17. und 18. Oktober in Turin stattfand. Sie bereitete den Weg für den bekannten „Turin-Prozess“.
Hauptanliegen der Veranstaltung war die Zusammenführung europäischer Politiker und die Bekräftigung der Bedeutung sozialer Rechte in Krisenzeiten. Die Konferenz bot eine Anlaufstelle für die Stärkung der Charta als zentrales Instrument für eine echte Sozialverfassung für Europa.
Hintergrund:
Die Europäische Sozialcharta ist ein am 18. Oktober 1961 in Turin gezeichneter Vertrag des Europarates, der die Grundrechte und -freiheiten im Alltag schützt: Wohnung, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, rechtlicher und sozialer Schutz, Freizügigkeit, Nichtdiskriminierung. Der Inhalt der Charta wurde 1996 durch eine revidierte Fassung erweitert.
Der europäische Ausschuss für soziale Rechte hat 15 unabhängige und unparteiische Mitglieder. Er entscheidet darüber, ob die Gesetze und Praktiken der Vertragsstaaten im Einklang mit der Charta stehen. Der Ausschuss hat zwei Verfahren, um zu gewährleisten, dass die Vertragsstaaten ihren Verplichtungen aus der Charta nachkommen: nationale Berichte und Sammelbeschwerden. Im Rahmen des Berichtsverfahrens nimmt er "Schlussfolgerungen" an und im Rahmen von Sammelbeschwerden "Entscheidungen". 1995 wurde ein Protokoll zur Unterzeichnung aufgelegt. Es trat 1998 in Kraft und ermöglicht es internationalen Gewerkschaftsorganisationen, Arbeitgeberorganisationen und NGO beim ECSR Beschwerden betreffend die Verletzung der Charta vorzubringen.