Seit MacLuhan hat sich das beherrschende Leitmotiv des „Global Village“ ausgebreitet, das von denen aufgegriffen worden ist, für die „die Globalisierung“ und die „Informationsgesellschaft“ dieses Motiv zu entwickeln helfen. Aber was bedeutet diese Behauptung der Werbe- und Marketingfachleute: „Die Welt ist ein Dorf?“ Was verstehen sie darunter?
In erster Linie, dass die geographischen Grenzen durch die „Neuen Informations- und Kommunikationstechnologien“ (NIKT) hinfällig geworden sind, und zwar mit allen Konsequenzen, die diese zur Folge haben. Die Welt ist ein Dorf, weil ich mit meinem Grafiker in San Francisco und meinem Drucker in Singapur zusammen diskutiere, als ob wir im gleichen Raum säßen, und eben weil ich den Entwurf kontrollieren kann, der gerade vom Grafiker auf meine Forderung hin bearbeitet wird, um ihn gleich darauf druckreif nach Singapur zu schicken, wo der Drucker wiederum ohne Verzögerung die notwendigen Anpassungen mit dem Grafiker absprechen kann... Aber „Dorf“ impliziert nicht nur die Reduzierung, ja sogar das Verschwinden der irdischen Entfernungen, sondern ebenso eine Vertrautheit. „Global Village“ bedeutet, dass uns nichts mehr auf dieser Welt wirklich fremd vorkommt, dass uns vielmehr im Gegenteil fast alles bekannt und erfahrbar erscheint. Denn wenn wir die Gesprächspartner, die wir brauchen, noch nicht ausfindig gemacht haben, dann haben wir keinerlei Schwierigkeit – dank unserer Kommunikationsnetze, „Suchmaschinen“ und Datenbanken – sie überall schnell und problemlos zu erreichen.
Dennoch, der Ausdruck „Global Village“ erscheint wie eine ziemliche Verneinung. Denn von einem anderen Standpunkt aus gesehen hat die gegenwärtige Welt Ähnlichkeit mit allem außer einem „Dorf“ ... Und seine „Dorfbewohner“ formen eine Interessensgemeinschaft, die sich reichlich von den Dorfgemeinschaften unterscheidet, die man immer noch auf den Reisen übers Land entdecken kann. In der Tat, allerlei passiert mit diesem Ausdruck, als ob man die entmenschlichten Begegnungen der heutigen Zeit um jeden Preis „vermenschlichen“ müsste. Man bringt ein bisschen vom Dorf in die weite Welt, um ihr Freundlichkeit zu geben – eben genau aus dem Grund, weil sie keine besitzt. Denn auch wenn die oben beschriebene Zusammenarbeit zwischen den drei Fachleute aus Frankreich, Amerika und Singapur noch so effizient ist, so ist sie doch in erster Linie vom Ziel eines kurzfristigen Nutzens (eines „wettbewerbsfähigeren“ Selbstkostenpreises) anstatt vom Ziel einer Begegnung mit dem Anderen bestimmt. Und darüber hinaus außerdem, weil dieses „Dorf“, das sich mit dem Anspruch eines Netzwerks verknüpft, die Mehrheit der Erdbevölkerung einfach ausschließt. Das globale Dorf des Jahres 2003 ist folglich alles außer gerade einer politischen Gemeinschaft von Gleichen. Es handelt sich vielmehr um eine kleine elitäre, fremdenfeindliche Gemeinschaft, die geschützt in ihrer materiellen Blase am Rande der Mehrheit der Erdbewohner und ihrer Sorgen lebt. Denn die Dorfbewohner, wie Aristoteles ironisch definiert, sind „diejenigen Leute, die die gleiche Milch gesaugt haben“. Und von diesem Blickwinkel aus haben die Bewohner des „globalen Dorfes“ dies tatsächlich gemeinsam, von San Francisco bis Singapur über Paris haben sie sowohl Lebensbedingungen, wirtschaftliche und technologische Mittel als auch in erster Linie Wünsche, die vergleichbar sind... Deshalb kann man in diesem Sinne tatsächlich von einem Dorf sprechen – von einem Dorf jedoch, das seine Erdbewohner abschirmt und isoliert, wie im folgenden Ausdruck von Littré: „Dieser Mensch kommt wirklich aus seinem Dorf : er ist schlecht unterrichtet über das, was in der Welt passiert.“
Das Konzept vom „Dorf“ enthüllt somit also seine andere Bedeutung. Sein Horizont ist natürlicherweise begrenzt: das Dorf der happy few interessiert sich eigentlich nur für sich selbst. Folglich ist dieses Dorf nur in dem Sinne „global“, als sich seine Bewohner über die ganze Welt zerstreuen, die alle hauptsächlich untereinander verbunden bleiben: durch Geld, Werte, Technologie und Bildung. Das jedoch ist kein Weltdorf. Nicht die gesamte Welt ist zu einer Art von „Dorf“ geworden: sondern nur jener Teil, der am besten floriert und „entwickelt“ ist.
Um die Verwirrung aufzuheben, sollte man also eher von einem „Dorf in der Welt“ sprechen als vom „globalen Dorf“. „Global Village“ ist nämlich ein boshafter bzw. naiver Ausdruck von denen, die die Welt als ein einziges Dorf für all ihre Bewohner präsentieren. Dorf in der Welt – das ist nämlich die ganz andere Idee, dass die heutige Welt transnationale Gemeinschaften – über die geografischen, sprachlichen, kulturellen Barrieren hinaus – hervorbringt, die all diejenigen vereint, die vergleichbare Aktivitäten, Lebensweisen und –bedingungen haben, die diese Ähnlichkeit auch zur Kenntnis nehmen und darüber miteinander diskutieren. Und das erste dieser Dörfer ist kein anderes als eben jenes sich selbst benannte „Global Village“ der Reichsten unter den miteinander Verbundenen...
Die Tatsache kann demnach kein Zufall sein, dass die Jünger einer angeblich wohlwollenden Globalisierung eher eine Vorliebe für diese Vorstellung eines Dorfes entwickelt haben als für die einer Polis. In der Tat, mit ihrem Slogan über die heutige Welt, die die Gestalt und den Reiz von Dörfern aus vergangenen Zeiten annimmt, betonen sie hohl die gewaltige politische Involution, die von einer gewissen Auffassung von der Globalisierung getragen wird: der Rückkehr zu einer Form der gemeinschaftlichen Organisation, dessen Ziel die reine Befriedigung der dörflichen Interessen ist, ohne jedoch die Bedürfnisse der „restlichen Welt“ zu berücksichtigen.