Heute hat die Europäische Kommission ihre Stellungnahme zum Entwurf der Europäischen Verfassung angenommen. Nach Auffassung der Kommission sollte die am 4. Oktober beginnende Regierungskonferenz den vom Konvent erarbeiteten Kompromiss nicht erneut zur Diskussion stellen. Sie muss jedoch in einigen Bereichen Verbesserungen erzielen und klarere Formulierungen ausarbeiten sowie Antworten auf die noch offenen Fragen finden. Dabei sollte sie vermeiden, die politischen Bestimmungen der Verfassung dauerhaft festzuschreiben. Außerdem muss einer effizienten, glaubwürdigen Europäischen Kommission ein Vollmitglied pro Mitgliedstaat angehören. Eine große Kommission wird ihre interne Organisation entsprechend straffen müssen.
Die Kommission begrüßt den Verfassungsentwurf als ausgezeichnete Grundlage für die Arbeit der Regierungskonferenz. Nach den Worten von Präsident Romano Prodi hat der Konvent die Union auf dem Weg zu einer Verfassung ein gutes Stück vorangebracht. Nunmehr sei die Regierungskonferenz politisch dafür verantwortlich, den Wortlaut der Verfassung dahingehend zu verbessern, dass die Union effizient und demokratisch arbeiten kann.
Flexiblere Methode zur Überarbeitung des politischen Teils der Verfassung
Die Legitimität der Europäischen Union hängt für den Bürger von der Effizienz des politischen Handelns ab. Teil III des Verfassungsentwurfs enthält die Ziele und Instrumente der Unionspolitik. Viele Artikel gehen noch auf den Vertrag von Rom aus dem Jahr 1957 zurück; andere sind aufgrund der im Laufe der Zeit vorgenommenen Änderungen zu lang und kompliziert ausgefallen.
Nach der vorgeschlagenen Regelung würde jede Änderung der 465 Artikel und der verschiedenen Protokolle einen einstimmigen Konsens der einzelstaatlichen Regierungen und anschließend die Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten voraussetzen. Außerdem wird der Regierungskonferenz aller Wahrscheinlichkeit nach die Zeit für eine Aktualisierung und Vereinfachung von Teil III fehlen. Die dauerhafte Festschreibung aller politischen Bestimmungen würde die Fähigkeit der EU beeinträchtigen, bewährte Verfahren zu ermitteln und auf sich wandelnde Umstände zu reagieren.
Daher muss der Europäische Rat nach Billigung durch das Europäische Parlament und befürwortender Stellungnahme der Kommission Änderungen an Teil III der Verfassung mit einer Fünfsechstel-Mehrheit beschließen können. Die Änderungen sollten von einem Konvent ausgearbeitet werden, an dem Vertreter der nationalen Parlamente und Regierungen sowie der EU-Organe teilnehmen.
Dagegen muss der Grundsatz der Einstimmigkeit und der anschließenden Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten in allen anderen Bereichen der Verfassung, einschließlich der Charta der Grundrechte, der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, der Organe der Union sowie der grundlegenden Prinzipien und Ziele, aufrechterhalten werden.
Ein Politikbereich, mit dem sich die Regierungskonferenz unverzüglich befassen sollte, ist die Ordnungspolitik im Wirtschaftsbereich, die für das Wachstum von entscheidender Bedeutung ist. Die Wirtschaftspolitik in der Eurozone sollte besser abgestimmt werden.
Kreative Lösungen im Hinblick auf eine größere Zahl von Mehrheitsbeschlüssen
Für eine Vielzahl von Beschlüssen ist immer noch Einstimmigkeit im Rat vorgeschrieben. Die Kommission räumt ein, dass es keinen Konsens für eine drastische Ausweitung der Mehrheitsbeschlussfassung gibt. Allerdings sollte die Regierungskonferenz bestimmte Artikel einer gezielten, detaillierten Analyse unterziehen. In einigen Fällen könnte eine präzisere Beschreibung des Umfangs der EU-Maßnahmen diejenigen beruhigen, die wegen der Abschaffung des nationalen Vetorechts besorgt sind. Nach Ansicht von Kommissionsmitglied António Vitorino wird ein nationales Vetorecht die erweiterte Union lähmen. Nationale Kuhhandel würden nie zu guten europäischen Entscheidungen führen. Die Mehrheitsbeschlussfassung sei von besonderer Bedeutung für die nächste Runde der Haushaltsverhandlungen.
Eine effiziente und legitimierte Kommission
Der Konvent schlägt eine große Kommission vor, die aus einem inneren Kern aus fünfzehn "europäischen" Kommissionsmitgliedern mit Stimmrecht und einem äußeren Kreis von Kommissionsmitgliedern aus den übrigen Ländern besteht. Ein System, das solche Kommissionsmitglieder "erster Klasse" und "zweiter Klasse" hervorbringt, würde den kollegialen Charakter des Organs zerstören, was für die EU insgesamt einen Legitimitäts- und Effizienzverlust bedeuten würde.
Die Regierungskonferenz sollte diesen Vorschlag ändern, ohne eine Debatte über andere institutionelle Fragen einzuleiten. Die Kommission sollte so zusammengesetzt sein, dass alle Mitgliedstaaten gleichberechtigt sind; damit dies der Fall ist, sollte ihr aus jedem Land ein Mitglied mit denselben Rechten und Pflichten angehören. Die Beschlussfassung in der Kommission sollte Gruppen von Kommissionsmitgliedern übertragen werden, die für bestimmte Bereiche zuständig sind. Das gesamte Kollegium würde lediglich über Fragen von strategischer und politischer Bedeutung entscheiden. Dieses Modell basiert auf der derzeitigen Kommissionspraxis der dezentralisierten Beschlussfassung.
Sofern die Auswirkungen für die Organe unklar sind, sollte die Regierungskonferenz den Verfassungsentwurf präzisieren, ohne die institutionelle Debatte erneut zu entfachen. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die verschiedenen Ratsvorsitze und der Präsident des Europäischen Rates sich nicht zusammenschließen, um eine alternative Exekutive zu bilden, was zu einer Verschwendung von Ressourcen, institutioneller Rivalität und Ineffizienz führen würde.
Nach Auffassung des Kommissionsmitglieds Michel Barnier hat der Konvent gute Arbeit in Bereichen geleistet, in denen noch Handlungsbedarf seitens der EU bestand. Der Ansatz des Konvents stelle eine wichtige und langfristig angelegte Innovation dar. Nun müsse eine mit Entscheidungsbefugnis ausgestattete Regierungskonferenz von kurzer Dauer die noch erforderlichen Verbesserungen und Präzisierungen vornehmen.
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