Die EU hat elf Amtssprachen: Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit aller EU-Amtssprachen ist in folgenden Dokumenten verankert:
- dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der besagt, dass sich jeder Unionsbürger schriftlich in einer der Amtssprachen an die europäischen Einrichtungen wenden und eine Antwort in derselben Sprache erhalten kann;
- der ersten Verordnung, die von der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1958 erlassen wurde und der zufolge alle Schriftstücke von allgemeiner Geltung in allen Amtssprachen abzufassen sind.
Mit dem Grundsatz der Vielsprachigkeit wird sichergestellt, dass jeder Bürger die für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften versteht, über das Geschehen in der EU informiert ist und sich an der öffentlichen Debatte beteiligen kann - eine unverzichtbare Voraussetzung für eine transparente und demokratische EU. Als die Stelle, die die EU-Politik initiiert und durchführt, spielt die Kommission hier eine zentrale Rolle. Sie hat hierfür die erforderlichen Einrichtungen aufgebaut:
- Die Kommission verfügt über einen eigenen Übersetzungsdienst (nach der französischen Abkürzung als "SdT" bezeichnet). Von den dort tätigen etwa 1300 Übersetzern werden alljährlich etwa 1,3 Mio. Seiten übersetzt. Mehr als 20% der anfallenden Texte werden aber von freiberuflichen Übersetzern übernommen.
- Für das Dolmetschen der alljährlich etwa 11 000 Sitzungen, die Kommission, Rat, Wirtschafts- und Sozialausschuss und Ausschuss der Regionen abhalten, ist der Gemeinsame Dolmetscher-Konferenzdienst (SCIC) zuständig, der täglich etwa 700 Dolmetscher einsetzt.
Die Kosten für die Übersetzungen in die elf Amtssprachen betragen, alle Institutionen zusammengerechnet, für jeden Unionsbürger 2 EUR jährlich - also weniger als die Hälfte dessen, was man heute in einer Großstadt für ein Kinokarte bezahlen muss.
Erweiterung: Die Kommission kann die Herausforderung bewältigen
Die Kommission bereitet sich darauf vor, ab Mai 2004 zehn neue Mitgliedstaaten mit neun oder sogar zehn neuen Sprachen aufzunehmen. Sie muss auch schon Vorkehrungen für den Beitritt Bulgariens und Rumäniens treffen, der voraussichtlich 2007 stattfinden wird. Dabei hat sie keinesfalls die Absicht, vom Grundsatz der Vielsprachigkeit abzuweichen. Kommission und Bewerberländer sind schon intensiv mit den Vorbereitungen auf die neue Herausforderung beschäftigt: Es werden Übersetzer und Dolmetscher ausgebildet, eine spezielle Strategie für die Humanressourcen wird erarbeitet, außerdem wird das Sprachangebot für die EU-Websites erweitert - und nicht zuletzt ist natürlich auch das gesamte Gemeinschaftsrecht (der sogenannte "Acquis") mit seinen derzeit 97 000 Seiten in die neuen Sprachen zu übersetzen.
SdT und SCIC werden alle Möglichkeiten nutzen, die die neuen Technologien bieten. So werden z. B. die vielsprachigen Glossare ausgeweitet, die den Übersetzern bei der Suche nach Fachbegriffen helfen. Um den Anstieg der möglichen Sprachkombinationen von derzeit 110 auf 420 nach der Erweiterung besser bewältigen zu können, soll zudem verstärkt mit Relaisübersetzungen und Übersetzungen in eine Fremdsprache gearbeitet werden. Bei der Relaisübersetzung wird z. B. vom Portugiesischen ins Finnische oder Ungarische übersetzt, indem zunächst eine Übersetzung ins Französische, Englische oder Deutsche, das genügend Übersetzer oder Dolmetscher beherrschen, zwischengeschaltet wird. Bei Dokumenten, die keine zentrale Bedeutung haben, soll künftig auch in eine Fremdsprache übersetzt werden.
Währung eines angemessenen Kosten-/Nutzen-Verhältnisses
Bei der Erarbeitung der Strategie für die erweiterte EU muss ein optimales Kosten-/Nutzen-Verhältnis erreicht werden. Die Kosten des SCIC belaufen sich derzeit auf 100 Mio. EUR (d. h. 28 Cent für jeden Unionsbürger) und die des SdT auf 197 Mio. EUR jährlich.
Das Dolmetschen einer eintägigen Sitzung kostet derzeit knapp 5 200 EUR. Nach der Erweiterung dürften diese Kosten auf etwa 5 750 EUR ansteigen. Für jede neue Sprache möchte der SCIC zusätzlich 40 Dolmetscher pro Tag einsetzen. Nach den derzeitigen Plänen, wonach bei den externen und internen Mitarbeitern ein Verhältnis von 50/50 angestrebt wird, wären also für jede neue Sprache bis zu 20 Planstellen zu besetzen, wodurch die Mitarbeiterzahl um 40% steigen würde. Im Interesse der Kostenwirksamkeit wird der SCIC daher einige Maßnahmen durchführen, um die Abstimmung zwischen den EU-Institutionen zu verbessern und hierdurch Ressourcen einzusparen. Außerdem sollen in bestimmten Sitzungen die Teilnehmer zwar in der eigenen Sprache sprechen können, die anderen Beiträge aber in einer Fremdsprache mitverfolgen.
Nach Schätzungen des SdT wird der Übersetzungsbedarf bis 2006 durch die zehn neuen Sprachen von 1,3 Mio. Seiten auf 2,4 Mio. Seiten jährlich ansteigen. Daher wird versucht, die Übersetzungstätigkeit durch Vermeidung weniger dringlicher Dokumente und das Anfertigen von Zusammenfassungen zu straffen. Der Umfang der Schriftsätze soll auf 20 Seiten begrenzt werden; außerdem soll die Übersetzung von Texten vermieden werden, die lediglich Zwischenstufen der Dokumente darstellen. In der Kommission selbst sollen künftig nach Möglichkeit nur noch die Kerndokumente übersetzt werden.
Wenn die geplanten Einsparungen auf der Nachfrageseite wirksam werden, sollen allmählich Planstellen für die jetzigen EU-Sprachen auf Abteilungen für die Beitrittssprachen übertragen werden. Auf diese Weise will der SdT den zusätzlichen Bedarf auf vierzig Übersetzer für jede neue Sprache und insgesamt sechzig Mitarbeiter für die technische und administrative Unterstützung begrenzen.
EPSO (das neue interinstitutionelle Amt für Personalauswahl der EU) wird 2003 neue, für alle Institutionen gemeinsam durchgeführte Auswahlverfahren für Dolmetscher und Übersetzer veranstalten. Dabei handelt sich um das bislang einmalige Vorhaben, für die Beitrittsländer bis zu fünfzig Auswahlwettbewerbe, davon achtzehn für Dolmetscher und Übersetzer, zu organisieren.