Schlechte Arbeitsbedingungen im globalen Arbeitsmarkt, unter denen Millionen von Menschen leiden, stehen im Zentrum des aktuellen ILO-Reports World Employment and Social Outlook, Trends 2019. Die Mehrheit der 3.3 Milliarden Beschäftigten weltweit hat weder wirtschaftliche Sicherheit, noch ein angemessenes Auskommen oder Chancengerechtigkeit. Der Rückgang bei der Arbeitslosigkeit geht auf Kosten guter Arbeitsplätze. Der ILO-Report belegt, wie hartnäckig die Defizite im Bereich menschenwürdiger Arbeit sind. Die Entwicklungen sind ein deutlicher Warnschuß für die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen für 2030 (Sustainable Development Goals – SDG ), im besonderen für das Ziel Nr. 8 Menschenwürdige Arbeit für alle und nachhaltiges Wirtschaftswachstum (SDG 8). Werden keine Fortschritte erzielt, so werden einige Länder das vereinbarte Ziel nicht erreichen. „SDG 8 verlangt eben nicht nur Vollbeschäftigung, sondern produktive Vollbeschäftigung bei menschenwürdiger Arbeit“, sagte Deborah Greenfield, stellvertretende ILO-Generaldirektorin für Politik. „Qualitätsvolle und menschenwürdige Arbeit sind unabdingbare Säulen für eine nachhaltige Entwicklung “.
Im Bericht werden Befürchtungen geäußert, dass bestimmte Geschäftsmodelle, auch durch Nutzung neuer Technologien, die bisher erreichten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen – sozialer Schutz, Zunahme der formalen Beschäftigung, Arbeits- und Sozialstandards - zunichtemachen, wenn politisch Verantwortliche dem nicht entschlossen entgegenwirken. Der Arbeitsplatz ist nicht immer auch die Garantie für ein menschenwürdiger Leben, denn heute sind 700 Millionen Menschen von Armut (absolut oder teilweise) betroffen, obwohl sie einer Beschäftigung nachgehen.
Aufgrund der aktuellen Daten zeichnet sich kein Fortschritt bei der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Lücke in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern hält sich hartnäckig: Nur 48 Prozent der Frauen sind erwerbstätig gegenüber 75 Prozent der Männer. Frauen stellen aufgrund der Unterbeschäftigung ein großes Potential für Arbeitsmärkte dar.
Mit einem Anteil von 61 Porzent der weltweiten Beschäftigung ist die informelle Beschäftigung weiterhin beunruhigend hoch. Damit arbeiten allein zwei Milliarden Menschen im informellen Sektor. Auch für die Situation junger Menschen ergibt sich keine Entwarnung: Mindestens einer von fünf jungen Menschen (jünger als 25) befindet sich weder in Beschäftigung noch in Ausbildung, eine verheerende Voraussetzung für zukünftige Beschäftigungsmöglichkeiten.
Der diesjährige WESO Report stellt auch einige positive Perspektiven heraus: Sofern ein Abschwung in der Weltwirtschaft vermieden werden kann, würde dies zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit in vielen Ländern beitragen. Positiv ist ebenfalls der Rückgang des Anteils der Beschäftigen insbesondere in Ländern mit mittlerem Einkommensniveau, die trotz Arbeit von Armut betroffen sind. Ermutigend ist, dass sich der Anteil der Menschen in Aus- und Fortbildung erhöht hat.
Regionale Ergebnisse:
Afrika
Lediglich 4.5 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sind arbeitslos, 60 Prozent befinden sich in Arbeit. Daraus den Rückschluß zu ziehen, dass wir es mit einem gut funktionierenderm Arbeitsmarkt zu tun haben, wäre fatal. Beschäftigung ist oft mit schlechten Arbeitsbedingungen, mangeldem Schutz, fehlender sozialer Sicherung und unzureichender Bezahlung verbunden. Viele Menschen haben keine andere Wahl, als diese Bedingungen hinzunehmen, um zu überleben
Die Erwerbsbevölkerung wird sich um mehr als 14 Millionen Menschen pro Jahr erweitern. Nach jetzigem Stand wird das Wirtschaftswachstum bis 2020 nicht ausreichen, um genügend gute Arbeitsplätze für die schnell wachsende Erwerbsbevölkerung bereitzustellen.
Nordamerika
Schätzungen gehen davon aus, das die Arbeitslosigkeit mit 4.1 Prozent 2019 den niedrigsten Stand erreichen wird.
Beschäftigungswachstum als auch Wirtschaftswachstum werden sich 2020 verlangsamen.
Ausbildung zahlt sich aus: Menschen, die ausschließlich über eine Grundbildung verfügen, sind zweimal so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, wie ausgebildete Personen.
Die Region ist führend bei digitalen Arbeitsplattformen. Die Herausforderung besteht für politisch Verantwortliche insbesondere darin, diese Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt durch ein enges Monitoring zu begleiten.
Lateinamerika und die Karibik
Trotz eines verbessertem Wirtschaftswachstums wird der Beschäftigungszuwachs nur auf 1.4 Prozent für 2019 und 2020 geschätzt.
Die relativ langsame Verringerung regionaler Arbeitslosigkeit ist ein Ergebnis unterschiedlicher Arbeitsmarktbedingungen in einzelnen Ländern.
Informalität und schlechte Arbeitsbedingungen bleiben in allen Arten der Beschäftigung vorherrschend.
Arabische Staaten
Die regionale Arbeitslosigkeit bleibt stabil bei 7.3 Prozent bis 2020.Die Arbeitslosigkeit in Ländern, die nicht dem Golf-Kooperationsrat (Saudi Arabien, Kuwait, Oman, Katar, Bahrain) angehören, ist doppelt so hoch wie in den Staaten des Golf-Kooperationsrates.
Arbeitsmigranten machen 41 Prozent der gesamten regionalen Beschäftigung in der Region aus. In den Staaten des Golf-Kooperationsrates und den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)) stellen sie im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Beschäftigten.
Die Arbeitslosenrate von Frauen liegt bei 15.6 Prozent und ist damit dreimal so hoch wie bei Männern. Junge Menschen sind überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen, die Rate liegt viermal höher als für Erwachsene.
Asien und Pazifik
Das Wirtschaftswachstum setzt sich fort, wenn auch langsamer als in vorherigen Jahren.
Die regionale Arbeitslosenrate bleibt mit rund 3.6 Prozent bis 2020unterhalb des globalen Durchschnitts.
Strukturelle Transformationen haben Arbeiter aus dem Landwirtschaftssektor gedrängt, was allerdings nicht zu wirksamen Verbesserungen in der Qualität der Arbeit geführt hat; ein großer Anteil der Arbeiter haben keine Arbeitsplatz- und Vertragssicherheit, sie beziehen keine stabilen Einkommen.
Während sozialer Schutz in einigen Ländern ausgedehnt wurde, bleibt dieser in Ländern mit den höchsten Armutsraten am niedrigsten.
Europe and Central Asia
In Nord-, Süd- und Westeuropa haben wir es mit der geringsten Arbeitslosigkeit in dieser Dekade zu tun. Folgt man den Prognosen, wird die Arbeitslosenquote bis 2020 weiter sinken.
In Osteuropa wird die Anzahl der Menschen in Beschäftigung 2019 und 2020 um geschätzte 0.7 Prozent schrumpfen; die gleichzeitig zurückgehende Erwerbsbevölkerung wird auch eine Verringerung der Arbeitslosigkeit zur Folge haben.
Die Langzeitarbeitslosigkeit beträgt bis zu 40 Prozent in einigen Ländern. Informelle Arbeit bleibt weiterhin verbreitet in Zentral- und Westasien, aktuell
liegt sie bei 43 Prozent. Es bleibt die Besorgnisse aufgrund schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnder Chancengleichheit auf den Arbeitsmärkten sowie des Anteils von Beschäftigten, die trotz Arbeit in der Armut verharren.
World Employment and Social Outlook: Trends 2019 – News, videos, charts
Flagship Report: World Employment and Social Outlook: Trends 2019
Wichtige Ressourcen: ILO portal on the 2030 Agenda for Sustainable Development
Siehe auch: Video - The trends in world employment 2019