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Date :  2018-07-27
langue :  Allemand
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Hahn über Westbalkan – Stabilität exportieren statt Instabilität importieren

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Die Hohe EU-Vertreterin Federica Mogherini, der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn, Mazedoniens Ministerpräsident Zoran Zaev und Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras (v.l.) im Juni 2018.
[Nikos Arvanitidis / EPA]


Die EU-Kommission zeigt sich befriedigt über ihre Westbalkan-Strategie, wurde doch damit eine neue Dynamik in der Region ausgelöst.

Im Gespräch mit EurActiv plädiert EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn in Bezug auf die Balkan-Strategie für Realismus. Eine Situation wie 2004, als in einem Gang gleich acht ehemalige Volksdemokratien in die EU aufgenommen wurden, soll es in Bezug auf die Westbalkanländer nicht geben. Hahn stellt klar: „Auch wenn nun die Europäische Perspektive der ganzen Region im Prinzip offensteht, wird es keinen En-Bloc-Beitritt geben“. Und er definiert die Richtschnur, wonach nur jene Länder vorankommen werden, die auch konkrete und nachweisbare Reform-Fortschritte vorzuweisen haben. Defizite besten noch auf den Gebieten von Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, wirtschaftlichen Strukturreformen sowie bei der Beilegung von Grenzkonflikten.


Welche Westbalkan-Länder haben im letzten Jahr die größten Fortschritte gemacht?

Da ist zu allererst die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien zu nennen, die eine tiefe politische Krise auf demokratischem Wege überwunden hat. Das Land hat unter der neuen, reform-orientierten und pro-europäischen Regierung beachtliche Fortschritte bei der Umsetzung des Przino-Abkommens und der Reformprioritäten gemacht. Besonders hervorzuheben ist das Bemühen der Regierung unter Ministerpräsident Zaev um gutnachbarschaftliche Beziehungen. Nach dem Freundschaftsvertrag mit Bulgarien konnte endlich, nach 27 Jahren vergeblichen Bemühens unter UN-Vermittlung, der Namensstreit zwischen Skopje und Athen beigelegt werden. Diese historische Einigung markiert einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung der euro-atlantischen Perspektive des Landes.


Noch bedarf es aber dazu einer Volksabstimmung, deren Ergebnis abzuwarten ist.

Ich appelliere daher an alle politischen Akteure, konstruktiv an der Verwirklichung dieses Zieles zu arbeiten und die erreichten Fortschritte nicht aus parteipolitischen Erwägungen aufs Spiel zu setzen. Es geht um die Zukunft des Landes, daher sollte das Referendum über das Abkommen mit Griechenland und den neuen Namen möglichst bald durchgeführt werden. Die Ratifizierung des Abkommens und ein erfolgreiches Referendum sind wesentliche Schritte auf dem Weg zur NATO- und EU- Mitgliedschaft.


Positiv überrascht hat aber auch Albanien, das aus dem Schatten seiner Vergangenheit tritt.

Das Land hat gute Fortschritte mit der Umsetzung seiner Reformprioritäten gemacht, vor allem was die sehr ehrgeizige Justizreform betrifft. Auch hat die Regierung Geschlossenheit beim Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität demonstriert. Jetzt geht es darum, auch Verurteilungen von Drahtziehern vorzunehmen. Albanien arbeitet, wie die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, an Abkommen zur Lösung von offenen Grenzfragen und ist generell um gutnachbarschaftliche Beziehungen bemüht. Auf Grund der substantiellen Fortschritte beider Länder hat die Europäische Kommission empfohlen, Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aufzunehmen.


Wie steht es um den Fortschritt der restlichen Westbalkanländer?

Generell kann man sagen, dass alle Länder im vergangenen Jahr Fortschritte gemacht haben, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität. Montenegro und Serbien, die ohnedies gemessen an der Eröffnung von Kapiteln derzeit die „frontrunner“ sind, haben im letzten Jahr weitere Kapitel eröffnet und stehen nun bei 31 bzw. 14 Kapiteln von insgesamt 35.

Kosovo hat die ausstehenden Bedingungen für die Erteilung der Visaliberalisierung erfüllt, sodass wir eine positive Empfehlung abgeben konnten. Bosnien und Herzegowina haben Antworten auf den umfangreichen Fragenkatalog der Kommission geliefert, der Voraussetzung für die Erteilung des Kandidatenstatus ist.


Die Erweiterungsstrategie erwähnt ein Zieldatum, nämlich das Jahr 2025. Ist das nicht zu fern und entmutigend für die Länder?

Keineswegs! Dieses indikative Datum ist nicht fern, denn die Reformen zur Anpassung an die EU-Standards nehmen viel Zeit in Anspruch, da es nicht nur um Gesetzesänderungen sondern auch um deren konkrete Anwendung geht. Wenn man dann noch die in manchen Ländern notwendigen Referenda und Ratifizierungsverfahren bedenkt, wird man erkennen, dass dieses indikative Datum sehr ambitioniert – aber machbar – ist. Zu bedenken ist aber auch, dass die Substanz zählt. Qualität geht vor Geschwindigkeit!


Es gab als Reaktion auf die Kommissionsempfehlung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien Skepsis bei einigen Mitgliedstaaten. Wie wollen sie Länder wie Frankreich oder die Niederlande davon überzeugen, dass die Erweiterung für die EU wichtig ist?

Die Erweiterung des Westbalkan ist gerade angesichts der zunehmenden Erosion der regelbasierten Weltordnung relevanter denn je. Der Westbalkan ist von EU-Mitgliedstaaten umgeben, gehört geografisch, historisch und kulturell zu Europa. Es ist im ureigensten Interesse der EU in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft für Stabilität und Prosperität zu sorgen. Mein Grundsatz für die Erweiterung lautet: Stabilität exportieren, anstelle Instabilität zu importieren. Insofern ist die EU-Integration des Westbalkan eine Investition in die Sicherheit und Stabilität der Union. Nicht zu vergessen ist auch der geostrategische Aspekt: es wäre unklug und geradezu fahrlässig ein Vakuum zu hinterlassen, das sich andere internationale Akteure, deren Werte nicht mit den unsrigen übereinstimmen, zu Nutze machen.


Während es auf dem Westbalkan positive Entwicklungen gibt, scheint die Europa-Orientierung der Türkei immer geringer zu werden. Das Land wird nach den Wahlen künftig noch stärker von Erdogan an die Kandare genommen, Grund und Freiheitsrechte stehen schwer unter Druck.

Wir haben unsere Strategie gegenüber der Türkei bereits vor den Wahlen an die Situation im Land angepasst. Alle Mitgliedstaaten teilen den Befund, dass sich die Türkei in den letzten Jahren immer weiter von der EU und ihren Standards wegbewegt hat. Deswegen haben die Mitgliedstaaten auch beim letzten Rat bestätigt, dass der Beitrittsprozess zum Stillstand gekommen ist und vorerst keine weiteren Kapitel eröffnet oder geschlossen werden können. Auf meine Initiative hin wurden auch die Vorbeitrittszahlungen angepasst, das heißt, um mehrere Hundert Millionen Euro über die nächsten Jahre gekürzt.


Wäre bezüglich der EU Beitrittsperspektive bei der Türkei nicht endlich Realismus angesagt?

Aus meiner Sicht – und aus der Sicht der meisten Mitgliedstaaten – Sinn, macht es Sinn mit der Türkei den Dialog weiterzuführen. Denn die Türkei ist und bleibt aus geostrategischer Sicht ein wichtiger Nachbar. Kooperation in Bereichen gemeinsamen Interesses macht durchaus Sinn, wie das Flüchtlingsabkommen zeigt, das funktioniert, weil beide Seiten ihre Verpflichtungen einhalten. Auf längere Sicht wäre es daher gegebenenfalls sinnvoll, neue Formate jenseits der Beitrittsverhandlungen, deren Bedingungen die Türkei nicht erfüllen kann beziehungsweise will, anzudenken.


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