Ref. :  000041825
Date :  2018-07-15
langue :  Allemand
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Unterricht in Fremdsprachen: Europa ist
nicht wiederzuerkennen!

Leitartikel


Die Europäische Kommission veröffentlichte am 22. Mai einen Empfehlungsvorschlag des Rats zur globalen Herangehensweise des Sprachenlehrens und -lernens.

Sie beantwortet nur teilweise die Aufforderung des Europäischen Rats vom 14. Dezember 2017, Vorschläge zu unterbreiten „zur Stärkung des Fremdsprachenlernens und dazu zu gelangen, dass mehr junge Menschen wenigstens zwei Fremdsprachen außer ihrer Muttersprache sprechen“, womit dieser das erklärte Ziel des Europäischen Rats von Barcelona vom 15. und 16. März 2002, also vor 15 Jahren wiederaufnahm.

Die Kommission stellt fest, dass die Politiken der Mitgliedstaaten im Großen und Ganzen gescheitert sind.

„Zur Stunde verzeichnen die Mitgliedstaaten einen ungenügenden Fortschritt in der Verwirklichung des vereinbarten Ziels beim Europäischen Rat von Barcelona 2002, der dazu aufforderte, neue Maßnahmen zu ergreifen, um den Unterricht ‚in wenigstens zwei Fremdsprachen so früh wie möglich‘ zu gewährleisten.“ „Zwar beginnen die meisten Schüler der Union früher eine erste Fremdsprache als es in den vorangehenden Jahrzehnten der Fall war, doch eine zweite Fremdsprache wird viel zu wenig angestrebt. Zur Zeit beginnen 83,8 % der Schüler ihre erste Fremdsprache in der Grundschule, was eine Zunahme von 16,5 % in Bezug auf 2005 bedeutet. Aber man zählt noch 11 Länder, in denen in der allgemeinen Sekundarstufe eine zweite Fremdsprache nicht Pflicht ist, und in 16 Unterrichtssystemen lernen die Schüler im Berufsunterricht weit weniger Fremdsprachen als ihre Kollegen im Allgemeinunterricht.“

„Wechselt man die Perspektive und schaut man sich die effektive Aneignung der Kompetenzen und nicht nur die Teilnahme am Unterricht an, so konstatieren die Studien eine allgemein schwache Kompetenzstufe am Ende der Schulpflicht, sowie sehr große Unterschiede unter den Mitgliedstaaten.“

Die Kommission verzichtet auf eine Diagnose dieses schlechten Ergebnisses. Aber sie formuliert einige Vorschläge, die man als einen Beginn der Diagnose interpretieren könnte, was zum Verständnis dazu beiträgt, warum im Bereich des Fremdsprachenunterrichts tatsächlich 15 Jahre verloren wurden. So schlägt die Kommission vor, die anderen Politiken besser mit dem Ziel von Barcelona abzustimmen.

Es ist in der Tat z.B. erstaunlich, dass der 2009 beschlossene strategische Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erziehung und Ausbildung („Erziehung und Ausbildung 2020“) sich an keiner Stelle auf das Ziel von Barcelona bezieht, und die beigefügten Berichte des Rats und der Kommission von 2012 und 2015 zur Umsetzung des strategischen Rahmens tun dies ebensowenig. Es gab demnach keine Umsetzungsstrategie des Ziels von Barcelona, und da die Mitgliedstaaten voneinander unabhängig, mit variabler Politik agierten, ist es leicht verständlich, dass bis heute kein spürbares Ergebnis erzielt wurde. Dabei kann das Subsidiaritätsprinzip in keiner Weise herhalten für den Kleinmut sowohl des Rats, der Kommission, als auch der nationalen Regierungen auf diesem Gebiet.

Ohne karikieren zu wollen können wir kurz resümieren, was in den letzten fünfzehn Jahren geschehen ist.

Der Anstoß kam von der damals von Tony Blair geführten britischen Regierung, die 2004 den Fremdsprachenunterricht nach der Sekundarstufe 1 zu Wahlfächern machte. Die Folge war der Zusammenbruch der in der Sekundarstufe 2 unterrichteten Fremdsprachen, vor allem des Französischen, aber die Maßnahme wurde auf raffinierte Weise als fortschrittlich gepriesen, denn zur gleichen Zeit wurde beschlossen, dass in der Primarstufe Sprachsensibilisierungsunterricht eingerichtet wird.

In den meisten Ländern wurde ähnlich verfahren, was die Primarstufe betrifft, was auschließlich dem Englischen zugute kam, wo doch mit etwas gutem Willen vielfältiger Unterricht „so früh wie möglich“ hätte entwickelt werden können. Aber mehrere Länder verfuhren dann ebenso in der Sekundarstufe 2 (was dem Niveau CT3 in der internationalen Klassifizierung entspricht), indem sie entweder nur Wahlunterricht einrichteten oder den Unterricht auf eine einzige Sprache beschränkten.

Die Herabsetzung des Alters für die Anfänger im Sprachunterricht geschah also zu Lasten des Unterrichts der Zweitsprachen in der Sekundarstufe 2.

Das Englische setzte sich in der Primarstufe in starkem Maß durch (durchschnittlich weniger als 5 % der Schüler lernen zwei Sprachen, aber 30 % in Estland und in Griechenland, 83 % in Luxemburg) und verstärkte sich in der Sekundarstufe 2 (von 2005 bis 2015 erhöhte sich der Prozentsatz des Unterrichts einer einzigen Sprache von 36,3 % auf 39,5 %), also auch in den Hochschulen; nur in der Sekundarstufe 1 erhöhte sich der Anteil der zweiten Fremdsprachen (von 46,7 % auf 58,8 %).

Zwar hat sich die Konzentration auf da s Englische verstärkt, aber die Kompetenzen wurden nicht besser.

Wenn man von den Hochschulabschlüssen auf höchster Ebene absieht, sieht es nicht so aus, als hätte sich in diesem Zeitraum das Fremdsprachenniveau der Bevölkerung verbessert. In Englisch hat es sich gerade noch gehalten, in den anderen Sprachen hat es sich verschlechtert.

Der Bericht „Die Europäer und ihre Sprachen“ von 2012 wies schon auf die gewaltige Trägheit der Mitgliedstaaten hin. „Nur acht Mitgliedstaaten erfüllen das langfristige Ziel der EU, das vorsieht, dass sich jeder Bürger in wenigstens zwei Sprachen ausdrücken kann, mit einer Mehrheit der Bürger, die dieser Anforderung genügt“.

Zwischen 2005 und 2012 erhöhte sich in der Tat in nur sehr wenigen Ländern die Zahl der Personen, die von sich erklären, dass sie zwei Sprachen beherrschen: in den Niederlanden (+2), in Lettland (+3), Litauen (+1), Finnland (+1), Deutschland (+1), Irland (+5) und Italien (+6).

So ist im Zeitraum 2005-2012 festzustellen, dass die Zahl der Menschen, die sich in wenigstens einer Sprache ausdrücken können, um zwei Punkte gefallen ist (56 %→54 %), die Zahl derer, die sich in zwei Sprachen ausdrücken können um 3 Punkte (28 %→25 %), während entsprechend die Menschen, die sich in keiner Fremdsprache ausdrücken können, um 2 Punkte gestiegen ist (44 %→46 %).

Wir erwarten mit Ungeduld eine Aktualisierung dieser Werte.

Global gesehen sind auf europäischer Ebene die Fremdsprachenpolitiken gescheitert. Die Gründe für diesen Misserfolg sind komplex.

Der erste Grund ist vermutlich der, dass die Regierungen und Entscheidungsträger bei schönen Reden stehengeblieben sind und dachten, dass unter einem engen wirtschaftlichen Gesichtspunkt das Englische genügt und sich von alleine durchsetzt.

Dieses Verhalten zeugt für eine enorme Blindheit und ein völliges Fehlen von europäischer Ambition. Es ist also notwendig, auf die Grundlagen zurückzukommen, die in Barcelona gelegt wurden und an die im europäischen Rat vom 14. Dezember 2017 erinnert wurden. Diesmal ist es aber unabdingbar, dass eine echte Strategie der Sprachen entwickelt wird, die die Mitgliedstaaten übernehmen müssten.

Wir schlagen fünf Orientierungshilfen vor, die uns grundlegend scheinen:

1. Orientierungshilfe: Das Ziel der mindestens zwei europäischen Sprachen neben der Muttersprache muss bestätigt werden.
Es geht nicht darum der lingua franca auf globaler Ebene jeglichen Nutzen abzusprechen, im Übrigen ist diese nicht auf das Englische beschränkt. Aber die Ambition muss politisch und kulturell sein, und für die Individuen ist die Beherrschung einer oder mehrerer Fremdsprachen nicht nur eine reine Ernährungsfrage, selbst wenn das der Fall sein kann.

2. Orientierungshilfe: Alle Unterrichtsstufen müssen berücksichtigt werden. Das Ziel, dass sich alle Jugendlichen oder so viele wie möglich in wenigstens zwei europäischen Sprachen ausdrücken können, benötigt ein Handeln in allen Unterrichtsstufen, von der Primarstufe, oder sogar der Vorschule, bis zur Hochschule. Insbesondere diese Stufe muss in die Sprachenpolitik eingeschlossen, nicht davon ausgeschlossen sein (sprich fürs Englische reserviert). Das unbedingte Ziel, das als Ziel und nicht einfach nur als Empfehlung verstanden sein muss, ist, was im Vorschlag der Europäischen Kommission steht, nämlich die Pflicht zweier Fremdsprachen bei der Reifeprüfung, und zwar auch in entsprechenden Berufsschulzweigen. Da die Situationen von einem zum anderen Land extrem vielfältig sind, ist es unmöglich, das eine oder andere Modell zu empfehlen. Hier sei nur auf zwei Modelle hingewiesen, die zeigen, wie das Ziel erreicht werden kann. Zunächst das von Finnland, Schweden, Rumänien, Frankreich, der Slowakei, der tschechischen Republik, Slowenien, Kroatien, Lettland und Estland eingeführte, wo zwei Sprachen in der Sekundarstufe 1 (oder teilweise) und der Sekundarstufe 2 Pflichtfächer sind und wo etwa 80 % oder mehr Schüler in zwei Fremdsprachen geprüft werden. In einem zweiten Modell, angewendet in Bulgarien, dem französischsprachigen Teil Belgiens und in Österreich ist eine zweite Fremdsprache nur in der Sekundarstufe 2 Pflicht.

3. Orientierungshilfe: Es muss eine klare Linie angewendet werden, die im Zeichen einer „mehrsprachigen und interkulturellen Erziehung“ steht und in der Sprachenkompetenz als globale Kompetenz angesehen wird, die ein Individuum sein ganzes Leben lang unterhält.

4. Orientierungshilfe: Es ist notwendig, das einzige greifbare Element der letzten 15 Jahre zu bewerten, nämlich die Senkung des Alters der Erstlernenden einer Fremdsprache, d.h. die Primarstufe (CT1). Es scheint klar, dass die Umsetzungen sehr vielgestaltig sind. Wenn in einigen Ländern für die Mindestzahl, die ein Ergebnis erhoffen lässt, bei drei Stunden liegt, und wenn der Unterricht von nicht oder schlecht dafür ausgebildeten Lehrkräften erteilt wird, so kann wohl eher von einer Vergeudung von öffentlichen Mitteln gesprochen werden.

5. Orientierungshilfe: Es muss vielseitig gehandelt werden. Das Ziel ist überhaupt nicht, das Englische zu eliminieren, sondern zu vermeiden, dass die Politik sich an einem Schmalspurangebot ausrichtet. Es ist keineswegs skandalös, wenn in der Primarstufe mit deutsch, spanisch oder italienisch begonnen wird. Notwendig ist natürlich, dass danach ein entsprechendes Angebot in der ersten Klasse der Sekundarstufe existiert und dass parallel dazu eine internationale Sprache wie die englische gelernt wird. Englisch ist ja nicht als englische Sprache so attraktiv, leider, sondern weil es eine internationale Sprache ist. Ganz allgemein werden Kinder, die eine andere Sprache als englisch angefangen haben, schnell genau so gut oder noch besser in englisch als Kinder, die englisch als erste Fremdsprache hatten.

Der Vorschlag zu den Fremdsprachen der Europäischen Kommission an den Rat müsste eine wahre Strategie enthalten, sonst werden wir in 15 Jahren wieder darüber diskutieren.


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