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Date :  2017-02-07
langue :  Allemand
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Der Widerstand ist weiblich


Die Rechtspopulisten von heute bekommen es zunehmend mit einem einigermaßen unerwarteten, aber schwierigen Gegner zu tun: Frauen. In den Vereinigten Staaten, wie auch in Polen, zählten Frauenrechte zu den ersten Zielen, auf die es populistische Politiker abgesehen hatten. Nur lassen sich die Frauen das nicht gefallen.

Der traditionelle Konservatismus im Westen hat sich weitgehend mit der Notwendigkeit arrangiert, Frauen umfassende reproduktive Freiheit zu gewähren. Dagegen sind die rechtspopulistischen Regierungen von heute geradezu vormodern, und sie versuchen Reformen rückgängig zu machen, für die sich nicht nur die Linken eingesetzt haben – und die von der konventionellen Rechten schon lange akzeptiert werden.

Es ist kein Geheimnis, dass der im Mainstream herrschende Konsens, nicht nur in Bezug auf Frauenrechte, beim modernen Populisten für Verachtung – und Erfolge – sorgt. Die ersten Maßnahmen, die Donald Trump als US-Präsident ergriffen hat, zeugen vom Eifer, mit dem seit langem bestehende Normen ausgehebelt werden, auch in vielen anderen Bereichen wie etwa in der Außen- und Wirtschaftspolitik.

Dem Angriff auf die Rechte von Frauen schlägt dabei der stärkste Widerstand entgegen. Jaroslaw Kaczynski, der de facto die Fäden der polnischen Politik zieht, hat seit der Rückkehr seiner Partei an die Macht 2015 nur einmal politisch nachgegeben. Im vergangenen Oktober, als Tausende von Frauen aller Altersgruppen in schwarzer Kleidung auf die Straße gingen, um zu protestieren, war seine Regierung gezwungen, von ihrem Plan abzurücken, ein totales Abtreibungsverbot durchzusetzen. (Nach geltendem Recht ist Abtreibung in Fällen von Vergewaltigung, bei schweren Schädigungen des Fötus oder einer Gefährdung der Gesundheit der Frau erlaubt.)

Von allen Quellen des Widerstandes gegen Trump, ist es nur den Frauen gelungen sich schnell und effizient zu organisieren. Der Andrang beim „Marsch der Frauen“ in Washington war rund dreimal so groß wie bei der Vereidigung Trumps am Vortag. Anders gesagt hat Trump seine Amtszeit mit einer symbolischen Niederlage gegen Amerikas Frauen begonnen.

Die anschließend von Trump wieder in Kraft gesetzte „Global Gag Rule“, die allen internationalen Organisationen, die Frauen zum Schwangerschaftsabbruch beraten, die finanziellen Mittel streicht und verheerende Folgen für die Frauengesundheit in Entwicklungsländern haben wird, kann diese Niederlage nicht verbergen. Und sein Versprechen, der Organisation Planned Parenthood die Mittel zu entziehen, die in den USA reproduktive Gesundheitsdienste anbietet, kann es auch nicht. Stattdessen leisten Frauen weiter Widerstand – etwa unter dem Hashtag #DressLikeAWoman, wo die weibliche Twitter-Gemeinde zeigt, was sie von Trumps sexistischen Vorstellungen hält, wie sich seine Mitarbeiterinnen zu kleiden haben.

Während sich die Frauen den Populisten in den Weg stellen, ziehen die etablierten politischen Entscheidungsträger und Mainstream-Parteien den Kopf ein, und so überrascht es nicht, dass sie weiter an Boden verlieren. Ganz auf sich allein gestellt sind die Frauen aber nicht. Nichtregierungsorganisationen und andere soziale Bewegungen sind ebenfalls aktiv geworden. Sogar die Medien gehen auf Konfrontationskurs; obwohl sie eine derart offenkundig politische Rolle nicht gewohnt sind, sind sie durch die Umstände – etwa Trumps „Krieg gegen die Medien“ – dazu gezwungen.

Die Zusammensetzung des Widerstandes ist absolute einleuchtend. Rechtspopulismus ist im Kern ein Angriff auf den Liberalismus, nicht unbedingt auf die Demokratie. Gewaltenteilung, Pressefreiheit, eine unabhängige Justiz und Freihandel sind keine demokratischen, sondern liberale Ideale. Frauen übernehmen eine herausragende Rolle im Widerstand, weil sie in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Rechtspopulismus sind, der vor allem von bildungsschwachen weißen Männern unterstützt wird – die demografische Gruppe, die Feminismus am wenigsten begreift.

Nun stellt sich die Frage, ob Frauen den Kampf gegen die Populisten gewinnen können. Diese Frage lässt sich zwar noch nicht beantworten, aber sie haben durchaus einige schlagkräftige Waffen in ihrem Arsenal.

Zunächst einmal sind die Frauen jeder anderen einzelnen sozialen Gruppe zahlenmäßig überlegen: Schwarzen, Latinos, der Linken, der Rechten, Liberalen, Konservativen und Protestanten. Es gibt mehr Frauen als weiße Männer in den USA – in Polen übrigens auch. Und, was besonders wichtig ist: Es gibt viel mehr Frauen als Populisten. (Frauen müssen für ihre Rechte kämpfen, als ob sie eine Minderheit wären, obwohl sie in der Mehrheit sind, und als ob es ihnen an Humankapital fehlen würde, obwohl sie in westlichen Ländern häufig besser ausgebildet sind als Männer.)

Die Welt ist voller Frauen und sie sind alle, in unterschiedlichem Maße, mit Diskriminierung konfrontiert. So wird aus den Frauen eine Art revolutionäre Klasse im marxistischen Sinne. Und es macht es Frauen relativ leicht, Solidarität aufzubauen.

Als die Menschen am „Schwarzen Montag“ in Polen auf die Straße gingen, haben Tausende andere aus Solidarität demonstriert, ob in Berlin (mit mehreren Tausend Teilnehmern) oder in Kenia (wo rund 100 Menschen demonstrierten). Während des „Marsches der Frauen“ in Washington haben bis zu zwei Millionen Menschen auf aller Welt aus Solidarität demonstriert. Frauen sind eindeutig eine globale Kraft. Wer könnte Leuten wie Trump, Kaczynski und anderen Rechtspopulisten besser Widerstand leisten, während diese die Globalität attackieren?

Die vielleicht wichtigste Waffe im Arsenal der Frauen ist, dass sie sich nicht schämen. Während das 20. Jahrhundert im Zeichen von Gehorsam durch Angst stand, ist das 21. Jahrhundert von Unterdrückung durch Scham geprägt. Im Unterschied zu Angst lässt sich Scham verbergen – und das ist der springende Punkt.

Während man Angst empfinden kann, ohne seine Würde zu verlieren, erwächst Scham aus Minderwertigkeitsgefühlen. Und dagegen wehren sich Frauen, wenn sie gegen Populisten demonstrieren. Das Recht von Frauen zu verteidigen, zu entscheiden, ob sie eine Abtreibung vornehmen lassen – vor allem dort, wo der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einigermaßen gewährleistet ist – bedeutet, die Würde und die Autonomie von Frauen zu verteidigen.

Mainstream-Parteien und andere traditionelle Organisationen, wie etwa Gewerkschaften, empfinden immer noch Scham. Sie haben Skrupel und machen sich Sorgen, wie sie wahrgenommen werden. Damit sind sie schlecht dafür ausgerüstet, der Gruppe die Stirn zu bieten, die keine Scham kennt: die Populisten.

Leute wie Kaczynski und Trump haben enorm von ihrer Schamlosigkeit profitiert, und sie sagen und tun was auch immer ihnen die Unterstützung ihrer politischen Basis einbringt. Das nehmen die Frauen aber nicht hin. Sie werfen die Scham über Bord, die lange benutzt worden ist, um sie zu unterdrücken und bekämpfen Feuer mit Feuer. Mal sehen, ob die Populisten mit der Hitze zurechtkommen.

Aus dem Englischen von Sandra Pontow.


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