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Date :  2016-03-28
langue :  Allemand
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Die Putins der EU


Eine der traurigsten Ironien des diesjährigen 25. Jahrestages des Zusammenbruchs der Sowjetunion ist die Tatsache, dass Ungarn und Polen – immer die ruhelosesten im sowjetischen Reich gefangener Nationen – nun von Männern geführt werden, die den Regierungsstil des russischen Präsidenten Wladimir Putin nachahmen. Auch sie höhlen die unabhängigen demokratischen Institutionen aus und unterdrücken die grundlegenden Freiheiten der Bürger. Wie das alte Sprichwort sagt: Wir werden, was wir hassen.

Nach dem Sturz des Kommunismus erklärten Polen und Ungarn, dass sie nun keine osteuropäischen Länder mehr seien. Stattdessen seien Teil Mitteleuropas – Europa Srodkowa, wie die Polen es nannten – oder sogar Westeuropas, so wie Österreich. Heute jedoch verfolgen sie einen Autoritarismus im Stile Putins, der so weit geht, dass die Europäische Union möglicherweise Sanktionen gegen sie verhängen wird. Diese Verwarnungen sind völlig berechtigt.

Polen, das nun scheinbar von Präsident Andrzej Duda geleitet wird, wird in Wahrheit vom ehemaligen Ministerpräsidenten Jarosław Kaczynski kontrolliert, dem Vorsitzenden der rechtsgerichteten Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS). Kaczyński ist der Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten Lech Kaczynski, der 2010 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe des russischen Smolensk ums Leben kam – er war auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für die Opfer des von den Sowjets 1940 verübten Massakers von Katyn. Obwohl der Absturz als Unfall angesehen wird, bezeichnet ihn die PiS als Ergebnis einer Kreml-Verschwörung – eine paranoide Anschuldigung und umso bizarrer angesichts von Kaczynskis anscheinender Entschlossenheit, Putins Verhalten nachzueifern.

Kaczynski und Putin eint sicherlich ihre Verachtung für den Rechtsstaat. In Russland gehört die Manipulation von Gerichtsverfahren gegen vorgebliche Regimefeinde zu den bevorzugten Taktiken des Kremls. Dazu gehörten in der Vergangenheit der frühere Vorsitzende der Yukos Oil Company, Michail Chodorkowsky, der Putins Eignung als Präsident anzweifelte, der Anwalt und Korruptionsbekämpfer Alexei Nawalny, der Putins Vermögen untersuchte, und die Punkrock-Band Pussy Riot, die sich über die Russisch-Orthodoxe Kirche, eine wichtige Basis Putins, lustig gemacht hatte. Erst letzte Woche wurde die ukrainische Hubschrauberpilotin Nadija Sawtschenko in einem berüchtigten Schauprozess auf Grundlage gefälschter Beweise, wonach sie für die Tötung zweier russischer Journalisten während des Separatistenkonflikts in der Ostukraine verantwortlich sei, zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Die polnische Regierung ihrerseits hat die Ernennung von drei Verfassungsrichtern, die noch durch die von der Bürgerplattform geleitete Vorgängerregierung eingesetzt worden waren, storniert. Zudem hat sie das Gericht kastriert, indem sie den Richtern verboten hat, die Verfassungskonformität von Gesetzen in Frage zu stellen oder nicht vom Parlament gebilligte Entscheidungen der Exekutive zu untersuchen. Und unter Ausnutzung einer Lücke im polnischen Rechtssystem weigern sich die Behörden, einige Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu veröffentlichen – ein Schritt, der die Macht des Gerichtes im Wesentlichen nullifiziert, da unveröffentlichte Entscheidungen offiziell keine Rechtskraft genießen.

Zudem orientiert sich die polnische Regierung bei ihrer Reaktion auf die Protestbewegung, die sich als Antwort auf diese Maßnahmen gebildet hat, am Kreml. Nicht nur denunziert die Regierung die Bewegung als vaterlandsfeindlich und von ausländischen Interessen geleitet; einen der Anführer der Bewegung, den Computerfachmann Mateusz Kijowski, hat Kaczynski persönlich unter Feuer genommen.

Die Medien sind ein weiterer Bereich, in dem Kaczyński an der Weichsel einen Kreml erschafft. In Russland entzog in den 2000er Jahren die Putin-Regierung unabhängige Netzwerke wie NTV und ORT (später Kanal 1) ihren jeweiligen Eigentümern, dem Medienmogul Wladimir Gussinski und dem verstorbenen Boris Beresowski, die Putin beide als Feinde betrachtete. Die neue polnische Regierung hat vor kurzem ähnliche Gesetze verabschiedet, die es der Regierung u. a. gestatten, die Leitung von Fernsehsendern einzusetzen, wodurch sie sich die politische Gefolgschaft dieser Sender sichert.
Nicht besser ist die Lage in Ungarn, wo Viktor Orbán das Land seit 2010, dem Beginn seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident, in Richtung Illiberalismus drängt. Tatsächlich leitete Orbán nahezu umgehend Verfassungsänderungen ein, um die Macht seiner Fidesz-Partei zu konsolidieren und die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts zu begrenzen.

Darüber hinaus hat Orbán – wie Putin und Kaczyński – die Medien unter seine Kontrolle gebracht; neue Gesetze gestatten der Regierung, Medieninhalte zu bestimmen, Sanktionen gegen Medien zu verhängen sowie Sendelizenzen an bevorzugte Sender zu vergeben. Diese Gesetze sorgen zugleich für die bevorzugte Behandlung von Fidesz-Wahlkampfwerbung, etwa durch Beschränkung der Standorte von Plakatwänden der Opposition und von Botschaften durch NGOs. Der Slogan „Nur Fidesz!“ zusammen mit dem Bild eines grinsenden Orbán ist jetzt landesweit auf 4,5 m hohen Gerüsten plakatiert.

Natürlich ist eine Verehrung des „Vaters der Nation“ in Ländern mit freiheitsfeindlichen Regierungen nichts Neues. Ähnliche Plakatwände geschmückt mit Porträts von politischen Führern – von Lenin bis Leonid Breschnew – säumten einst die Straßen der Sowjetunion. In ähnlicher Weise waren, wie ein Beobachter kürzlich feststellte, im Rumänien der 1980er Jahre die Straßen mit Schildern gesäumt, die die Tugenden des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaușescu proklamierten. Auch wenn auf den Straßen Russlands heute keine Porträts von Putin zu sehen sind, fehlt es im staatlichen Fernsehen nicht an pausenlosen Berichten über ihn. Und Bilder Stalins, des geistigen Paten des Putin-Regimes, säumen die Straßen durchaus, wenn auch nur sporadisch.

In Putins frühen Jahren an der Macht propagierte er ein Regime auf der Grundlage „souveräner Demokratie“ und erklärte, dass Russland ein „besonderes System“ brauche, um sich vor seinen vielen in- und ausländischen Feinden zu schützen. Kaczynski und Orbán geben sich derselben Vorstellung hin, wobei ihnen die Ironie der Verwendung des Wortes „Souverän“ – eines Begriffs, der in der Regel auf einen Monarchen und nicht einen demokratischen Regierungschef angewandt wird – anscheinend völlig entgeht. Tatsächlich ist das, was Putin geschaffen hat und dem Kaczyński und Orbán nacheifern, eher eine „souveräne Diktatur“.

Für die EU wäre der Umgang mit Russland, das sich in letzter Zeit als Nemesis des Westens positioniert hat, allein schon schwer genug. Nun muss es auch noch mit den demokratiefeindlichen Putin-Nacheiferern in seinen eigenen Reihen fertig werden, und das zu einer Zeit, in der die europäische Einheit auf Schritt und Tritt untergraben wird. (Das anstehende britische Referendum über die EU-Mitgliedschaft ist ein wichtiges Beispiel.) Die Frage ist, ob die EU ihren Drohungen über die Verhängung politischer und wirtschaftlicher Sanktionen gegen Polen und Ungarn Taten folgen lässt oder um der Einheit willen Maßnahmen gegen im Entstehen begriffene freiheitsfeindliche Regime in Ländern, die einst als postsowjetische Hoffnungsstrahlen galten, vermeiden wird.

Aus dem Englischen von Jan Doolan


Pays : 
- Russie   

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