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Date :  2016-03-14
Language :  German
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Trumps italienischer Prototyp


Dem Aufstieg von Milliardär Donald Trump im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf wird eine Mischung aus Faszination und Schrecken entgegengebracht. Während seine anfänglich verspottete Kampagne weiter Erfolge verbucht – zuletzt bei den Vorwahlen in Michigan, Mississippi und auf Hawaii – bemühen sich Beobachter eine historische Analogie oder eine Entsprechung im Ausland zu finden, mit der sich das Phänomen erklären lässt. Ein idealer Vergleich findet sich zwar nicht, aber ein passender: Silvio Berlusconi, der italienische Medienmogul, der drei Amtszeiten als Ministerpräsident seines Landes gedient hat. Sein Vorbild ist kein Grund zur Beruhigung.

Berlusconi und Trump weisen einige oberflächliche Parallelen auf, unter anderem mehrere Ehen und einen generell vulgären Stil. Doch die wichtigsten – und besorgniserregendsten – Gemeinsamkeiten sind die Fähigkeit, Substanz durch die Kunst des Verkaufens zu ersetzen, die Bereitschaft schamlose Lügen zu verbreiten, um öffentliche Aufmerksamkeit und Vorteile zu erlangen und der Wille, Kritiker durch Einschüchterung zum Schweigen zu bringen.

Berlusconis politischer Agenda, sogar seiner grundlegenden Ideologie, hat es immer an Beständigkeit gefehlt. Während seiner erfolgreichen Wahlkämpfe sagte er was immer nötig war, um Stimmen zu gewinnen; während seiner drei Amtszeiten nutzte er die gleiche Taktik, um Koalitionen zu bilden. Der einzige Punkt auf seiner Tagesordnung war der Schutz oder die Förderung seiner eigenen Geschäftsinteressen.

Bisher verfolgt Trump im Großen und Ganzen dieselbe Strategie und sagt alles Mögliche, um sich eine weitere Stimme zu sichern. Es stellt sich die Frage, was das bedeuten würde, wenn er es ins Weiße Haus schaffen sollte. Das in der US-Verfassung festgeschriebene System der gegenseitigen Kontrolle sorgt auf unvergleichliche Weise dafür, dass keine der drei Gewalten verrücktspielt. Aber die Manipulation der öffentlichen Meinung ist in jeder Demokratie eine mächtige Waffe, und es ist eine Waffe mit der Trump, ähnlich wie Berlusconi, besser umzugehen weiß als die meisten.

Berlusconis größte Erfolge – insbesondere während seiner Amtszeiten von 2001-2006 und 2008-2011 (er war auch von 1994-1995 im Amt) – waren der Manipulation der Medien und der Öffentlichkeit zu verdanken. Italien ist zwar für mangelndes Vertrauen in die Regierung bekannt und die Bürger haben sich weitgehend mit dem Gedanken abgefunden, dass praktische jede Person des öffentlichen Lebens auf Eigennutz bedacht ist, doch Berlusconi hat es geschafft, das Bewusstsein der Öffentlichkeit noch weiter abstumpfen zu lassen. Irgendwie hat er die Italiener in dem Glauben gewogen, dass mit ihrer Wirtschaft und Gesellschaft alles in Ordnung ist, sogar im Zuge der globalen Wirtschaftskrise 2008 als das ganz offensichtlich nicht der Fall war. Unter seiner Führung hat Italien viele Jahre verloren, in denen die Regierung entscheidende Reformen hätte durchführen müssen.

Wie hat Berlusconi das geschafft? Im Wesentlichen hat er gescherzt, gelogen und gelächelt. Wenn das nicht funktioniert hat, hat er sich auf Einschüchterung verlegt, unter anderem durch Klagen wegen übler Nachrede.

Tatsächlich haben wenige Medienmogule – Berlusconi ist Eigentümer der wichtigsten kommerziellen Fernsehsender Italiens und mehrerer Tageszeitungen (entweder direkt oder durch Familienangehörige) – Journalisten und andere Kritiker derart unbekümmert mit Verleumdungsklagen überzogen. Der berühmte italienische Anti-Mafia-Schriftsteller Roberto Saviano hat dieses Vorgehen als Berlusconis „Dreckschleuder“ bezeichnet, mit der er jeden beschmutzt, der es wagt ihm im Weg zu stehen. (Der Offenheit halber sei gesagt, dass in meiner Zeit als Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins The Economist zwei Verleumdungsklagen von Berlusconi auf meinem Tisch gelandet sind).

Trump hat alle diese Taktiken ebenfalls im Repertoire. Er ist aggressiv gegenüber seinen Gegnern, vor allem in den Medien. Während seiner Karriere als Unternehmer hat Trump häufig Klage wegen Diffamierung eingereicht. Für den Fall seines Wahlsieges hat er angekündigt, Kritik in den Medien in den Griff bekommen zu wollen. Und doch ist seine wesentliche Botschaft optimistisch und wird scherzend und mit einem breiten Lächeln verkündet. Wie Berlusconi gezeigt hat, kann dieser Ansatz – über sehr lange Zeit – äußerst wirkungsvoll sein, wenn die Bevölkerung frustriert oder desillusioniert ist, was in weiten Teilen der USA heute der Fall ist.

Einige Beobachter haben im Vergleich zu Berlusconi einen Unterschied zwischen den beiden bombastischen Milliardären hervorgehoben: Berlusconi besitze wenigstens etwas Charme und deutlich mehr Geschäftssinn. Diese Einschätzung ist nicht nur viel zu wohlwollend gegenüber Berlusconi; sie birgt zudem das Risiko den Anschein zu erwecken, Trump wäre weniger gefährlich als sein italienisches Pendant.

Berlusconi besitzt sicherlich einen gewissen Charme, nur scheint Trumps wachsende Unterstützerbasis tatsächlich auch in ihm einen gewissen Charme zu erkennen, wenn auch in einer weniger verführerischen Version. Hinzukommt, dass Berlusconi zwar ohne Frage über Geschäftssinn verfügt, aber, wie Trump auch, regelmäßig den kürzesten Weg gewählt hat. Die Verbindungen zwischen engen Beratern und Freunden Berlusconis zu Italiens verschiedenen Mafia-Clans sind gut dokumentiert.

Nichts davon ist im Hinblick auf die Implikationen für die Vereinigten Staaten heute von besonderer Bedeutung. Sehr wohl von Bedeutung ist, dass sowohl Trump als auch Berlusconi skrupellos sind und bereit, sich beliebiger Mittel zu bedienen, um ihre (eigennützigen) Ziele zu erreichen.

In Anbetracht dessen wäre es ein gewaltiger Fehler Trump zu unterschätzen; er wird sich immer als stärker, gerissener und ausdauernder erweisen als angenommen. Die einzige Möglichkeit eine Katastrophe auf Berlusconi-Niveau – oder schlimmer – zu vermeiden, besteht darin, ihn zu kritisieren, seine Lügen aufzudecken und ihn für seine Worte und Taten zur Rechenschaft zu ziehen, ungeachtet der Beleidigungen oder Drohungen, mit denen er seine Kritiker überzieht.

Zu viele Italiener haben Berlusconis Lügen und Versäumnisse mit einem Achselzucken abgetan und gedacht er wäre bald wieder weg, ohne viel Schaden anzurichten. Aber er ist geblieben und er hat reichlich Schaden angerichtet. Die USA können es sich nicht erlauben, den gleichen Fehler zu begehen. Der Preis der Freiheit, pflegen die Amerikaner zu sagen, ist stetige Wachsamkeit. Im Umgang mit Trump kann es keine Ermäßigung geben.

Aus dem Englischen von Sandra Pontow.


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