Europa erlebt gerade die
schwerste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, mit weltweit mehr als 60 Millionen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen. Daher ist es notwendig, das
Migrationssystem der EU massiv zu konsolidieren und ein abgestimmtes europäisches Vorgehen zu gewährleisten.
In den vergangenen sechs Monaten hat die Europäische Kommission auf eine
rasche, koordinierte europäische Reaktion hingearbeitet und ein Vorschlagspaket auf den Tisch gelegt, das den Mitgliedstaaten die Instrumente an die Hand geben soll, um das hohe Flüchtlingsaufkommen besser zu bewältigen.
Heute legt sie eine
Bewertung der bisherigen Fortschritte vor und mahnt an,
die vereinbarte gemeinsame Politik beschleunigt umzusetzen. Dabei muss eine Balance zwischen
Verantwortung und Solidarität gefunden werden.
Die heute vorgelegten Fortschrittsberichte betreffen die Lage in
Italien, Griechenland und auf der
Westbalkan-Route sowie den
gemeinsamen Aktionsplan EU-Türkei. Einige wichtige Fundamente für eine nachhaltige Migrationspolitik wurden inzwischen gelegt. So wird positiv vermerkt, dass beispielsweise der Anteil der
Migranten, deren Fingerabdrücke genommen wurden, in Griechenland von 8 % im September 2015 auf 78 % im Januar 2016 und in Italien im gleichen Zeitraum von 36 % auf 87 % gestiegen ist. Es bleibt aber weiterhin
viel zu tun, beispielsweise was die
Hotspots sowie die
Rückführung und die
Umverteilung von Flüchtlingen anbelangt. Die Kommission begrüßt die Zusagen Italiens und Griechenlands, die notwendigen Maßnahmen rasch abzuschließen, wofür beide Länder erhebliche finanzielle und operative Unterstützung erhalten. Insgesamt hat die Kommission
aus dem EU-Haushalt 2015/2016 Mittel in Höhe von 10,1 Mrd. EUR für die Bewältigung der Flüchtlingskrise zur Verfügung gestellt.
Ferner hat die Kommission die Mitgliedstaaten an die
verbindlichen Beschlüsse des Gipfeltreffens zur Westbalkanroute vom Oktober 2015 erinnert, wo u. a. eine Aufstockung der Aufnahmekapazitäten zugesagt worden war, und erneut dazu aufgerufen, die Praxis des „Durchwinkens“ derjenigen, die in einem anderen Land einen Asylantrag stellen wollen, zu unterbinden.
In ihrem Fortschrittsbericht zum
Aktionsplan EU-Türkei erkennt die Kommission an, dass die Türkei bereits einige Maßnahmen ergriffen hat, beispielsweise einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und neue Visumvorschriften für syrische Flüchtlinge. Sie weist aber auch darauf hin, dass die Türkei noch erheblich mehr unternehmen muss, um eine
irreguläre Weiterreise von Migranten und Flüchtlingen in die EU zu verhindern. Verbesserungswürdig ist auch die Durchführung des bilateralen Rückübernahmeabkommens mit Griechenland. Außerdem sollte die Türkei die Voraussetzungen schaffen, dass das
Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei in Bezug auf die Rückübernahme von Drittstaatlern ab dem 1. Juni 2016 angewendet werden kann. Wie die Kommission betont, sollte die
EU-Unterstützung über die vor kurzem ins Leben gerufene Flüchtlingsfazilität für die Türkei baldmöglichst anlaufen.
Darüber hinaus hat die Kommission auch eine
an Griechenland gerichtete Empfehlung zu dringlichen Maßnahmen angenommen, die Griechenland ergreifen muss,
damit die Überstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung teilweise wieder aufgenommen werden können.
Aufgrund der Notlage, in der sich
Österreich derzeit befindet, schlägt die Kommission vor, die
Umverteilung von 30 % der Österreich zugedachten Antragsteller für ein Jahr auszusetzen.
Im Kollegium wurden auch
Empfehlungsentwürfe an Griechenland auf der Grundlage von Artikel 19b des Schengener Grenzkodexes erörtert. Nachdem in einem Schengen-Evaluierungsbericht Mängel im griechischen Außengrenzen-Management festgestellt worden waren, prüft der Rat jetzt die Empfehlungsvorschläge der Kommission, mit denen diese schwerwiegenden Mängel behoben werden sollen. Die Kommission wird die entsprechenden Durchführungsmaßnahmen in die Wege leiten, sobald der Rat seine Beschlüsse gefasst hat. Die Stabilisierung des Schengen-Systems durch die Anwendung seiner Schutzvorkehrungen ist die Voraussetzung dafür, dass die Kontrollen an den Binnengrenzen wieder aufgehoben werden können.
Schließlich hat die Kommission beschlossen, an mehrere Mitgliedstaaten in
9 Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mit Gründen versehene Stellungnahmen zu richten. Betroffen sind folgende Mitgliedstaaten:
Deutschland, Estland, Slowenien, Griechenland, Frankreich, Italien und Lettland. Bereits am 23. September 2015 hatte die Kommission 40 Verfahren wegen möglicher oder tatsächlicher Verstöße gegen die EU-Asylgesetzgebung eingeleitet. Weitere 34 Verfahren waren bereits zuvor anhängig. Am 10. Dezember 2015 hat die Kommission 8 Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.