Ref. :  000039073
Date :  2016-01-21
langue :  Allemand
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Der Schlüssel zu einer Übereinkunft für Syrien


Die Friedensverhandlungen für Syrien, die am 25. Januar in Genf beginnen sollen, werden in einem im Oktober in Wien vereinbarten Rahmen ablaufen. Diese Grundsätze, über die sich die meisten wichtigen ausländischen Akteure im syrischen Krieg geeinigt haben, enthalten ein Bekenntnis zu einer säkularen Regierung, zur langfristigen Niederschlagung des Islamischen Staates (ISIS) und anderer terroristischer Gruppen, zur Bewahrung der Vorkriegsgrenzen Syriens und seiner staatlichen Institutionen sowie zum Schutz von Minderheiten.

Was sie nicht enthalten, ist ein Bemühen, das größte Hindernis für einen bleibenden Frieden auszuräumen: die anhalten Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere Gräueltaten, die die Spannungen zwischen den syrischen Gruppierungen vertiefen, die irgendwann zusammen werden regieren müssen. Falls dieses vorsätzliche Gemetzel nicht bald aufhört, wird sich der Konflikt vermutlich auf diplomatischem Wege allein nicht mehr beenden lassen.

Der Krieg dauert unter anderem deshalb schon so lange, weil sowohl die syrische Regierung als auch die von ihr bekämpften bewaffneten Gruppen der Ansicht waren, dass sie letztlich siegen würden. Russlands Eintritt in den Konflikt hat dazu beigetragen, diese Kalkulationen zu ändern. Doch während die russischen Luftangriffe die Regierung ausreichend gestärkt haben, um deren Zusammenbruch zu verhindern, reichen sie nicht aus, um wesentliche Fortschritte gegenüber der Opposition zu machen.

Zugleich haben die ISIS-Anschläge in Europa – kombiniert mit dem Massenexodus syrischer Flüchtlinge – ein neuerliches Bemühen um einen politischen Kompromiss ausgelöst. Die Europäische Union, die USA und andere interessierte Länder hoffen, dass Syriens Kriegsparteien aufhören, einander zu bekämpfen, und ihre Waffen stattdessen gegen ISIS und andere extremistische Gruppen wie etwa Jabhat al-Nusra richten werden.

Eine der schwierigsten Fragen bei den Friedensverhandlungen ist das Schicksal des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und seiner Handlanger. Das Assad-Regime ist für die deutlich größte Zahl ziviler Opfer verantwortlich, denn es hat wahllos Angriffe auf von der Opposition gehaltene bevölkerte Gebiete unternommen, komplette Bevölkerungen belagert, die Lieferung humanitärer Hilfe verhindert und Gefangene gefoltert und hingerichtet.

Doch obwohl Assads Gegner darauf beharren, dass er abtreten müsse, wird dies ganz klar keine Vorbedingung für die Gespräche sein. Es ist eine praktische Frage: Assad führt eine der mächtigsten Konfliktparteien, die am Verhandlungstisch vertreten sein muss, wenn man einen Frieden herbeiführen will.

Darüber hinaus könnte die abrupte Beseitigung Assads dem syrischen Staat einen tödlichen Schlag versetzen – ein Ergebnis, das in niemandes Interesse liegt (mit Ausnahme von ISIS und anderen Extremisten). Die Auflösung der syrischen Sicherheitskräfte und des Rechtssystems könnte besonders für Syriens Minderheiten gefährlich werden. Daher muss eine geordnete Übergangsphase das Ziel aller Gesprächsteilnehmer sein.

Ein logischer Kompromiss bestünde darin, dass Assad für einen kurzen Zeitraum an der Macht bleibt. Selbst Russland und der Iran, seine lautstärksten Unterstützer, haben angedeutet, dass sie sein Abtreten akzeptieren könnten, wenn er im Rahmen von Verhandlungen zurücktritt, statt durch einen Volksaufstand gestürzt zu werden (und solange das Nachfolgerregime ihnen gegenüber freundlich eingestellt ist).

Wenn Assad und seine mörderischen Spießgesellen zustimmen, die Macht abzugeben, werden sie unzweifelhaft eine Amnestie für ihre Verbrechen anstreben. Dies ist entschieden zurückzuweisen. Seit Anfang der 1990er Jahre hat die internationale Gemeinschaft zu Recht ihre Zustimmung zu Amnestien für Massengräueltaten verweigert. Tatsächlich verlangt das Völkerrecht, derartige Vorschläge abzulehnen.

So oder so würde eine Amnestie in Syrien Assad nicht vor Strafverfolgung schützen. Falls eine künftige syrische Regierung dem Internationalen Strafgerichtshof beiträte und sich seiner retrospektiven Zuständigkeit unterwürfe, stünde es dem Gericht frei, Verfahren in Bezug auf alle Massengräueltaten einzuleiten, die zu untersuchen das Gericht sich entschiede. In ähnlicher Weise könnten ausländische Gerichte, die eine universelle Gerichtsbarkeit in Bezug auf in ihrem Gebiet ausfindig gemachte mutmaßliche syrische Kriegsverbrecher ausübten, eine Amnestie ignorieren. Und Präzedenzfälle aus Argentinien, Chile und Peru haben gezeigt, dass selbst in Ländern, in denen sich die Gräueltaten ereignet haben, unter dem Druck von Gewalt gewährte Amnestien für ungültig befunden werden können.

Natürlich wäre es unrealistisch, zu erwarten, dass Assad und seine Handlanger sich selbst direkt den Strafverfolgungsbehörden in Den Haag stellen würden. Wahrscheinlicher ist, dass sie ihre Macht in Syrien nutzen würden, um sich zu schützen, und falls diese abnimmt nach Moskau oder Teheran fliehen würden, was Bemühungen um ihre Festnahme verzögern würde.

In der Zwischenzeit stehen die Verhandlungsführer vor der schwierigen Frage, wer Assad ersetzen sollte. Laut der Erklärung von Wien soll diese Frage letztlich durch von den Vereinten Nationen überwachte Wahlen entschieden werden. Doch glaubwürdige Wahlen im kriegsverheerten Syrien mit seinen Millionen von Vertriebenen zu organisieren wird viel Zeit und Vorbereitung erfordern.

Bis dahin wird es notwendig sein, durch Übereinkunft eine Koalitionsregierung einzusetzen. Die Erklärung von Wien spricht sich für eine „glaubwürdige, inklusive, nicht konfessionell bestimmte Regierung“ aus. In der Praxis wird dies bedeuten, politische Persönlichkeiten auszuwählen, die über Glaubwürdigkeit sowohl bei der sunnitischen Mehrheit verfügen als auch bei den alawitischen und anderen Minderheiten Syriens, deren Mitglieder überwiegend bei Assad Schutz gesucht haben. Die internationale Gemeinschaft könnte eine Einigung fördern, indem sie auf einem Ausschluss von Personen auf allen Seiten besteht, die im Rahmen eines fairen, offenen Streitverfahrens für ernste Menschenrechtsverstöße verantwortlich befunden werden.

Eine Einigung entlang dieser Linien erfordert die Entwicklung eines Maßes an Vertrauen zwischen den kriegsführenden Gruppen in Syrien, das gegenwärtig fehlt. Es ist schwer, Gegnern die Hand zu reichen, die die eigenen Familienmitglieder und Nachbarn töten. Aus diesem Grund irrt US-Außenminister John Kerry, wenn er einer Übereinkunft Priorität vor der Beendigung der Gräueltaten einräumt. Eine Beendigung des vorsätzlichen Gemetzels an der Zivilbevölkerung ist kein Beiprodukt eines Friedensabkommens, sondern eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan



Pays : 
- Syrie   

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