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Date :  2015-03-02
langue :  Allemand
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Migration: Europas Chance


Im vergangenen Jahr verloren mehr als 4000 Männer, Frauen und Kinder ihr Leben, als sie versuchten, von Afrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Ihr tragischer Tod hat jedoch nicht dazu beigetragen, den Strom der Flüchtlinge zu verringern, die Europa erreichen wollen. Es werden wöchentlich mehr, die Schlepper an der Küste werden immer unverfrorener und grausamer. Tausende von Migranten wurden allein in diesem Jahr aus eisigem Wasser gerettet.

Vor diesem Hintergrund - und angesichts der Angst, die durch die Terroranschläge in Paris und Kopenhagen geschürt wurde - erstellt die EU nun eine neue und sehr wichtige Agenda zur Migration. Wenn die EU-Kommissare zusammentreffen, um die weitere Vorgehensweise zu erörtern, müssen sie der Versuchung widerstehen, nach kurzfristigen, reflexartigen Lösungen zu greifen, und stattdessen einen wirklich kreativen, umfassenden Aktionsplan für das In- und Ausland ins Leben rufen.

Zuletzt erlebte Europa 2011, nach dem arabischen Frühling, eine vergleichbare Flüchtlingswelle, als die Menschen der Gewalt und dem Chaos im Norden Afrikas entfliehen wollten. Aber der Moment für eine mutige Reaktion, wie die Schaffung eines Marshall Plans für das Mittelmeer, zur Investition in die Integration von Immigranten, ging ungenutzt vorüber. Stattdessen optimierte die EU ein wenig ihr Asylsystem und erging sich ansonsten in Scheindebatten über "Wirtschaftsflüchtlinge".

2014 stellte die EU einen Notfallfonds von lediglich 25 Millionen Euro für Migration und Asyl bereit, ein Armutszeugnis für die Gemeinschaft, auch wenn die Mittel von den Mitgliedsstaaten stammen. Im vergangenen Herbst wurde Italiens mutige Seerettungsoperation Mare Nostrum, die Hunderte von Leben gerettet hatte, durch eine wesentlich schwächere EU-Initiative ersetzt, die es schwer hat, ihren Auftrag zu erfüllen.

Verschlimmert wird das Problem noch dadurch, dass Verbindlichkeit und Mitgefühl innerhalb der EU selbst ungleich verteilt sind. Schweden und Deutschland haben die meisten Asylsuchenden aus Syrien und anderen Ländern aufgenommen, während andere EU-Mitgliedsstaaten, wenn überhaupt, nur wenige ins Land gelassen haben. Das Vereinigte Königreich zum Beispiel bot letztes Jahr gerade mal 90 Plätze für syrische Flüchtlinge an. (Im Vergleich: die Türkei, der Libanon und Jordanien geben Milliarden Dollar aus, um fast vier Millionen Flüchtlinge aufzunehmen.)

Griechenland, Italien und Malta tragen die Hauptlast für die Unterbringung von Neuankömmlingen, mit allen damit einhergehenden finanziellen, sozialen und politischen Kosten. So gerät die Solidarität innerhalb der EU durch die Tragödie im Mittelmeer erheblich unter Druck.

Das Problem wird nicht verschwinden, wenn wir uns wegducken, davon würden auch die europäischen Spitzenpolitiker in den nächsten Wahlen nicht profitieren. "Schleppern das Handwerk legen" - diese Losung ist für viele in der EU das einfachste Mittel, um das Problem anzugehen, aber angesichts der Instabilität vieler nordafrikanischer Regierungen wird es noch Jahre dauern, bis man die Konsequenzen spüren wird. In der Zwischenzeit liegt eine weitere Destabilisierung des Nahen Ostens im Bereich des Möglichen, was die Sicherheit von Millionen Menschen bedrohen könnte, die nach dem Völkerrecht einen legitimen Anspruch auf Asyl hätten.

Wir brauchen einen besseren und proaktiveren Ansatz. Die sofort notwendige Reaktion ist ressourcenaufwändig, aber machbar: eine zuverlässige gemeinschaftliche EU-Seeoperation mit einem ausdrücklichen Rettungsmandat.

Wenn Asylsuchende die europäische Außengrenze auf dem Seeweg erreichen, sollte die EU gemeinsame finanzielle und administrative Verantwortung für die Erstaufnahme und Unterbringung übernehmen, unabhängig davon, wo sie an Land gehen. Und die Solidarität sollte bei Flüchtlingen aus Syrien noch einen Schritt weitergehen, dadurch, dass die Verantwortung, speziell diese Gruppe aufzunehmen, gleichermaßen über alle Mitgliedsstaaten verteilt wird.

Um die Boote der Schlepper zu erleichtern, sollte die EU auch viel mehr als die 30.000 Syrer aufnehmen, für die sie bisher eine verbindliche Zusage erteilt hat. 250.000 wäre eine viel realistischere Zahl, jedenfalls erscheint sie fairer im Vergleich mit den Millionen, die der Libanon, die Türkei und Jordanien aufnehmen.

Die EU-Außenminister sollten auch die Gespräche mit afrikanischen Ländern intensivieren, um neue rechtliche und sichere Mittel für diejenigen bereitzustellen, die in Gefahr sind und über das Mittelmeer nach Europa fliehen wollen. Das könnte bedeuten, die Visumspraxis zu lockern, wobei die Anträge bereits außerhalb Europas abgewickelt würden. Die EU muss auch langfristigere Ziele in Betracht ziehen, wie die Schaffung eines gemeinsamen Mittelmeermarktes, um das Wirtschaftswachstum in den nordafrikanischen Ländern anzukurbeln, damit die Region langfristig ein Ziel für Migranten wird, anstelle eines Transitraumes.

Aber wichtiger noch, Europa muss sich selbst von innen heraus stärken. Der Kontinent braucht dringend eine andere, ganz neue Einstellung gegenüber der Diversität. Die Länder der EU haben zwei Optionen: Sie können einen vergeblichen Versuch machen, sich auf nicht mehr aktuelle, ethnozentrische Staatsmodelle zu berufen, oder sie können die Vielfalt akzeptieren und dabei erkennen, dass ihre Nationalkulturen nicht nur überleben, sondern auch neu erblühen.

Das würde die europäischen Kernwerte in keiner Weise kompromittieren. Aber man müsste all diejenigen respektieren, die diese Werte annehmen, unabhängig von Hautfarbe oder Religion. Manche Menschen sehen im Mittelmeer die Achillesferse Europas, in Wahrheit ist die Achillesferse Europas das Versagen beim Aufbau einer stabilen und vielfältigen Gesellschaft.


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