Internationalen und nationalen Angaben zufolge leiden viele Migrantenkinder in der Europäischen Union unter einer Bildungsbenachteiligung im Vergleich zu inländischen Gleichaltrigen: Sie verlassen die Schule früher und absolvieren seltener ein Hochschulstudium. Noch beunruhigender ist, dass in einigen Ländern die schulischen Leistungen von Schülern der zweiten Einwanderergeneration schlechter sind als die von Schülern der ersten Generation. Dies lässt darauf schließen, dass das soziale Gefälle im Laufe der Zeit zunehmen könnte. Gleichzeitig spricht einiges dafür, dass sich die Tendenz zur Segregation nach sozioökonomischen Merkmalen noch verstärkt, da sozial besser gestellte Eltern oftmals ihre Kinder aus Schulen mit hohem Migrantenanteil herausnehmen. Die Disparitäten zwischen den Schulen nehmen immer mehr zu.
„Diese Situation kann die späteren Chancen junger Migranten auf eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt schmälern“, so Ján Figel', der für Allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Jugend zuständige EU-Kommissar. „Machen Migrantenkinder in der Schule die Erfahrung, dass sie dem Leistungsanspruch nicht genügen und ausgegrenzt werden und sich dies in ihrem späteren Leben fortsetzt, besteht die Gefahr, dass solche Muster auch an die nächste Generation weitergegeben werden.“ Wie der Kommissar ergänzt, „hängt erwiesenermaßen viel von dem jeweiligen Politikansatz ab. Einige Mitgliedstaaten haben sich gut auf die Herausforderung eingestellt. Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen kann von großem Nutzen sein und die Europäische Kommission will einen solchen Austausch unterstützen.“
Im Rahmen der Forschung wurden mehrere Ursachen ermittelt, die zu der derzeitigen Bildungsbenachteiligung vieler Migranten beitragen. Einige Schlüsselfaktoren betreffen den individuellen Hintergrund von Migrantenschülern – schlechte sozioökonomische Situation, Sprache, Erwartungen der Familie und der Gemeinschaft. Den Daten ist jedoch auch zu entnehmen, dass den Bildungssystemen große Bedeutung zukommt und einige Länder beim Abbau der Bildungsunterschiede zwischen Migrantenschülern und inländischen Schülern erfolgreicher sind als andere, was verdeutlicht, dass die Politik großen Einfluss auf die schulischen Leistungen hat. Die Segregation zum Beispiel ist eine nach unten gerichtete Spirale, welche die Motivation und Leistung der Kinder negativ beeinflusst. Ähnliche Auswirkungen können die Einordnung nach Leistungsgruppen und die Differenzierung haben. Die Erwartungen der Lehrer und ihre Bereitschaft zum Umgang mit der Vielfalt können sich ebenfalls auf die Ergebnisse auswirken.
Das Grünbuch liefert einen kurzen Überblick über die Politikansätze und Konzepte, die den Bildungserfolg von Migrantenschülern stützen können. Jene Systeme, die stark auf die Chancengleichheit im Bildungswesen ausgerichtet sind, fördern auch die Integration von Migrantenschülern am besten. In dieser Hinsicht erscheinen folgende Maßnahmen besonders sinnvoll: Vorschulerziehung, Sprachunterricht, zusätzliche Bildungsförderung wie Mentoring und Tutoring, interkulturelle Bildung sowie Partnerschaften mit Familien und Gemeinschaften. Die Verhinderung von Segregation und die Desegregation von „Getto-Schulen“ sind allem Anschein nach wichtige Voraussetzungen für eine echte Chancengleichheit für Migrantenschüler. Die Sicherung hoher Qualitätsstandards an allen Schulen, insbesondere in Bezug auf Unterricht und Führung, sind in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung.
Auf nationaler oder regionaler Ebene müssen Strategien konzipiert und umgesetzt werden; als sehr wertvoll erweisen kann sich aber auch das Peer-Learning auf europäischer Ebene. Mit dem Grünbuch soll ein Meinungsaustausch darüber gefördert werden, wie diese Herausforderungen auf allen Ebenen anzugehen sind und wie die EU künftig die Mitgliedstaaten bei der Formulierung ihrer Bildungspolitik in diesem Bereich unterstützen könnte. Außerdem soll erörtert werden, welche Rolle der 1977 verabschiedeten Richtlinie 77/486/EWG über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern, die nur bruchstückhaft umgesetzt worden ist, in Zukunft zukommen könnte.
Interessierte Kreise sind aufgefordert, sich vor dem 31. Dezember 2008 zu der politischen Herausforderung, politischen Antworten und der möglichen Rolle der Europäischen Union bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten zu äußern. Die Europäische Kommission wird die Ergebnisse dieser Konsultation analysieren und Anfang 2009 ihre Schlussfolgerungen veröffentlichen.
Weitere Informationen:
MEMO/08/475, "FAQ: Migration and Mobility: Challenges and Opportunities for EU education systems"
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