Etwa 15.000 Lobbyisten und 2.500 Lobbyorganisationen sind in Brüssel tätig. Im Parlament sind gegenwärtig rund 5.000 Lobbyisten registriert. Das Europäische Parlament hat sich nun für ein gemeinsames, Institutionen übergreifendes und verbindliches EU-Lobbyisten-Register ausgesprochen, das öffentlich zugänglich ist und u.a. einen Verhaltenskodex sowie die Möglichkeit der Streichung aus dem Register umfasst. Zudem plädieren die Abgeordneten für eine "umfassende finanzielle Offenlegung".
Ob die Registrierung – wie von der Kommission im Rahmen ihrer Transparenz-Initiative vorgesehen – auf Freiwilligkeit basieren und welche Finanzinformationen offen gelegt werden sollten, hatte zu den wichtigsten Diskussionspunkten während der Vorbereitung des Berichts gehört. Auch die Machbarkeit eines für alle EU-Organe einheitlichen Registers war im Vorfeld Gegenstand von Diskussionen. Der Bericht wurde heute mit 547 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen und 59 Enthaltungen angenommen.
Gemeinsames verbindliches Register
Das Europäische Parlament hat sich für ein "gemeinsames verbindliches Register, wie es beim Parlament faktisch bereits besteht, zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament" ausgesprochen, das in allen Institutionen gelten soll und eine umfassende finanzielle Offenlegung, einen gemeinsamen Mechanismus zur Streichung aus dem Register und einen gemeinsamen Verhaltenskodex umfassen soll. Bis Ende 2008 soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Parlament, Rat und Kommission die Auswirkungen eines solchen gemeinsamen Registers sowie die Ausarbeitung eines gemeinsamen Verhaltenskodex prüfen.
Jede Art von Kodex müsse ein "strenges Überwachungsmoment" in Bezug auf das Verhalten von Interessenvertretern gewährleisten. Für Interessenvertreter, die gegen den Verhaltenskodex verstoßen, seien Sanktionen vorzusehen, ggf. die Streichung aus dem Register.
Das Register, so das EP, muss benutzerfreundlich und für die Öffentlichkeit "mühelos zu finden und abzufragen" sein. Zudem darf das Register nicht nur die Namen der einer Lobbytätigkeit nachgehenden Organisationen, sondern muss auch die Namen der Interessenvertreter selbst enthalten.
Finanzielle Offenlegungspflicht
Die Abgeordneten unterstreichen in dem Bericht von Ingo FRIEDRICH (CSU) das "Erfordernis der finanziellen Offenlegung" für alle registrierten Interessenvertreter. Wer in das EU-Lobbyisten- Register aufgenommen werden möchten, muss folgende Angaben machen:
* den Umsatz professioneller Berater und Anwaltskanzleien aus der Lobbyarbeit bei den EU-Organen sowie den relativen Anteil ihrer wichtigsten Klienten;
* die geschätzten Kosten in Zusammenhang mit ihrer direkten Lobbytätigkeit bei den EU-Organen, wenn es sich um Unternehmenslobbyisten und Berufsverbände handelt;
* das Gesamtbudget, untergliedert nach Hauptfinanzierungsquellen, wenn es sich um nichtstaatliche Organisationen und Denkfabriken handelt.
Definition von Lobbyisten und Lobbying
Das Parlament teilt die Ansicht der EU-Kommission, die Lobbying definiert als „alle Tätigkeiten, mit denen auf die Politikgestaltung und den Entscheidungsprozess der europäischen Organe und Einrichtungen Einfluss genommen werden soll“.
Insbesondere werden genannt: professionelle Lobbyisten, interne Unternehmenslobbyisten, nichtstaatliche Organisationen, Denkfabriken, Berufsverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, gemeinnützige und nicht gemeinnützige Organisationen sowie Anwälte, "deren Tätigkeit in erster Linie darauf abzielt, Einfluss auf die Politikgestaltung zu nehmen und weniger darauf, in Rechtssachen als Rechtsbeistand und Verteidiger aufzutreten oder Rechtsauskünfte zu erteilen".
Ein Änderungsantrag, der vorsah, auch Kirchen, philosophische und nicht konfessionell gebundene Organisationen, als Lobbyisten zu betrachten, fand im Plenum keine Mehrheit.
„Legislative Fußspur“
Die Abgeordneten weisen darauf hin, dass auf freiwilliger Basis eine „Legislative Fußspur“ verwendet werden kann. Dabei gehe es um eine indikative Aufstellung (in der Anlage zu den Berichten des Parlaments) derjenigen registrierten Interessenvertreter, die bei der Ausarbeitung des entsprechenden Berichts konsultiert wurden und einen signifikanten Beitrag dazu geleistet haben. Für die Kommission sei es "gleichermaßen wichtig", ihren Gesetzesinitiativen derartige „Legislative Fußspuren“ beizufügen.
Das EP will auch, dass etwaige Unterstützung der interfraktionellen Parlamentarier-Arbeitsgruppen (sog. „Intergroups“) durch externe Gruppen transparenter gemacht wird. Alle Intergroups sollen außerdem auf der Website des Parlaments aufgeführt werden.
Interessenvertreter sind "wichtige Informationsquelle"
Schließlich betonen die Abgeordneten, dass Interessenvertreter eine bedeutende Rolle im offenen und pluralistischen Dialog spielen und eine "wichtige Informationsquelle" darstellten. Der gleichberechtigte Zugang von Lobbygruppen zu den Institutionen der Europäischen Union habe das "verfügbare Fachwissen für die Funktionsfähigkeit" der EU erweitert. Es sei "wesentlich", dass Vertreter der Zivilgesellschaft Zugang zu den Organen der EU haben, in erster Linie und vor allem zum Parlament. Der transparente und gleichberechtigte Zugang zu allen europäischen Institutionen sei eine Grundvoraussetzung für die Legitimität der Union und für das Vertrauen der Bürger.
- Den angenommenen Text des EP finden Sie in Kürze hier.
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