Ref. :  000029101
Date :  2008-03-28
langue :  Allemand
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10 Thesen über die zeitgenössische Bedeutung und Ausrichtung der Globalisierungsforschung

Gegen den unendlichen Schlaf der Offensichtlichkeit


(Dieses Paper, das der freundlichen Bitte von Professor Endre Kiss Folge leistet, ist als Kurzbeitrag für die am 28. und 29. März 2008 stattfindende ENG-Konferenz konzipiert worden.)


Einleitung

In den Jahren 2008 und 1999 (dem Zeitpunkt des WHO-Treffens in Seattle) bleibt das, was wir nach Bill Clinton, Michael Gorbatschow, Arjun Appadurai oder Joseph Stiglitz gewöhnlich „Globalisierung“ nannten, ein außerordentlich komplexes, vielgestaltiges und verwirrendes Thema. Die Vor- und Nachteile der wirtschaftlichen Globalisierung sind noch immer von Gegnern und Befürwortern heftig umstritten. Die wesentlichen sozialen, kulturellen, ökologischen, epidemiologischen und finanziellen Desaster, welche die gerade stattfindende Globalisierungswelle begleiten, werden weithin als deren „Ergebnisse“ oder Nebeneffekte angesehen, andere Beobachter jedoch verneinen eine derartige Interpretation entschieden. Globalisierung wird immer mehr als ein „wohlbekannter“ Vorgang bzw. Phänomen oder Gegenstand verstanden. Immer mehr wird sie als schlagendes Argument oder universelle Erklärung verwendet: eine unbegrenzte Quelle stets passender Antworten… Doch immer weniger wirkt sie per se als problematisch. Andererseits erscheint die sogenannte „Globalisierungsdebatte“ als nichts anderes als neue Sphäre der Offensichtlichkeit. Deswegen möchte ich eine kritische und transdisziplinäre Diskussion folgender zehn Thesen vorschlagen:


1. These

Globale Themen, Global Studies, Forschung über Globalisierung(en) sind gewiss weder obsolet noch veraltet. Je mehr „Globalisierung“ als bloße „Tatsache“ wahrgenommen wird, desto mehr erweist sie sich als suspektes, zweideutiges und enttäuschendes Konzept, angesichts dessen wir alle kritischen Ressourcen der Philosophie und der Humanwissenschaften mobilisieren müssen.

2. These

Das Motto des „Endes der Globalisierung“ muss als Ausdruck des folgenden Wunsches seiner Beförderer verstanden werden: dass ein derartiges „Tod der Globalisierung“-Dekret gleichzeitig jeglicher kritischen Untersuchung, jedem komparativen Ansatz, jeglicher philosophischen Prüfung, jeder wissenschaftlichen Neubewertung einander widersprechender Globalisierungsfiguren und -prozesse ein Ende setzen würde.

3. These

Auf der anderen Seite sollten wir den Standpunkt betonen, dass der bedeutende Bereich der „Forschung und der Studien über Globalisierung(en)“ – ein Bereich, der seit mehr als zehn Jahren vom kritischen Denken ins Feld geführt wurde – zur Zeit erst seine Anfangsphase erlebt.

4. These

Was weltweit seit ca. zehn Jahren von verschiedenen individuellen Beiträgen und kollektiver Arbeit – sei sie wissenschaftlich oder nicht – erreicht wurde, darf nicht vernachlässigt werden: mit anderen Worten, eine bereits beeindruckende Dekonstruktionsarbeit (eine Unterdisziplin nach der anderen), die mit einer tief verwurzelten begrifflichen Diskussion verknüpft ist und von einer entschiedenen Neuformulierung des Vokabulars der Globalisierung(en) und folglich ihres Lexikons vervollständigt wird.

5. These

Die Grenzen, die von dieser multilateralen, transnationalen und transdisziplinären Bewegung kritischen Denkens, das schwach organisiert, aber lebendig und leistungsfähig war, erreicht wurden, waren folgende: i) eine unzureichende Verbreitung von Begriffen und Forschungsergebnissen in den Medien, den politischen und ökonomischen Sphären und dementsprechend ii) eine geringe Fähigkeit dazu, normative Paradigmen über Globalisierung zu verändern, die von Journalisten, politischen und ökonomischen Anführern verwendet wurden – und als Folge: eine geringe Fähigkeit, eine Abwandlung ihrer Sichtweisen und Verwaltung „globaler Angelegenheiten“ herbeizuführen.

6. These

Die Zukunft der „Forschung und Studien über Globalisierung(en)“ ist nur allzu offensichtlich, insbesondere wegen des in der These Nr. 2 hervorgehobenen Punktes. Nicht nur motivieren diese Forschung und Studien nur sehr wenige Leute – selbst innerhalb der Forschungsgemeinschaft –, aber sie werden auch weithin als nutzlos betrachtet, selbst in den sogenannten „progressiven“ Gruppen und Parteien. Eine derartige Stellungnahme impliziert, dass der nächste Schritt sich auf eine gleichsam lobbyistische Strategie richten sollte, welche darauf abzielt, die wesentlichen Ideen zu verbreiten, die für das letzte Jahrzehnt entwickelt worden sind und immer mehr Menschen von der Stichhaltigkeit und vom Nutzen der Globalisierungsforschung überzeugen.

7. These

Die riesige und notwendige transdisziplinäre Anstrengung, die sie erfordert, erweist sich als eine strenge Begrenzung eines derartigen Forschungsfeldes. In der Tat leben wir nicht in den Zeiten von Diderot, Condorcet, Kant, Hegel und ihresgleichen, die dank ihrer vielgestaltigen Bildung intellektuell viel besser ausgerüstet gewesen wären als wir, um „Globalisierung(en)“ zu denken. Was für das Voranschreiten von Globalisierungsforschung kritisch erscheint, ist aus diesem Grunde sowohl 1) individuell immer „transdisziplinärer“ zu werden als auch 2) üblicherweise widerwillige Universitäten zu überzeugen, ihre Meinung gegenüber transdisziplinären Studien zu ändern, sodass diese jene bevorzugend behandeln, die in höherem Maße mit dem Feld der Globalisierung(en) vertraut sind.

8. These

Die Betonung des Themas Vielsprachigkeit ist ebenso kritisch für eine ergiebige Entwicklung der Globalisierungsforschung aus ihrem normativen Weg der Ausweitung heraus. Tatsächlich sieht es jeden Tag immer gefährlicher aus, sich globalen Themen nur aus dem einzigen Blickwinkel der englischen, deutschen oder französischen Sprache anzunähern. “Globe”, “Welt”, “monde”, “globalización”, “globalização”, “mondialisation” müssen neben der Übersetzung in andere indoeuropäische Sprachen mit ihrem „Gegenstück“ und ihrem „Anderen“ in der buddhistischen, islamischen, Yoruba- oder Inuit- Tradition konfrontiert werden – eine Konfrontation, die langfristig erfolgen muss.

9. These

Wir sollten nie vergessen, dass „Globalisierung“ eine kulturelle Angelegenheit ist – d.h. 1) sie ist vor allen Dingen eine kulturelle Angelegenheit und 2) eine kulturelle Angelegenheit. Vor allen Dingen bedeutet, dass die Wahrnehmung, das Verständnis und die Beschreibung der „Globalisierung“ kulturell sind, bevor sie wirtschaftlich, politisch, sozial sind… Kulturell bedeutet, dass die Substanz, die Merkmale oder die Entwicklung der „Globalisierung“ eng mit kulturellen Bezügen und Debatten verknüpft sind.

10. These

Die Zukunft der „Forschung und Studien über Globalisierung(en)“ ist noch nicht festgeschrieben. Zurzeit mag sie sogar „offen“ aussehen. Aber bald wird über die Fähigkeit derartiger Forschung geurteilt werden, das eigene Urteil nicht-intellektueller Leader über die vielfältigen und widersprüchlichen Globalisierungsprojekte zu verändern. Und diese Leader mit objektiven und ernsthaften Gründen zu versorgen, das Entstehen einer wahrhaftigen „Weltbürgerin“ einem bloßen „globalen Konsumenten“ vorzuziehen.


Schlussbemerkung

Was in diesem Prozess noch immer auf dem Spiel steht, wäre ein geteiltes Verständnis des ontologischen Unterschieds zwischen einerseits 1) einer authentischen „Welt“ (mundus politicus), in der mehrere „Mondialisierungen“ (bzw. Mundialisierungen) erfahren werden könnten, welche den Menschenrechten, der Menschenwürde und der Kulturellen Vielfalt Respekt entgegenbringen und andererseits 2) einem reinen „Globus“, auf dem ausschließlich – und ohne Alternative – ein einziges tödliches Muster der Globalisierung regieren könnte.



(Übersetzt von Jörg Mirtl)


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