"Ich bin tief überzeugt, und viele mit mir, dass ein friedliches Zusammenleben von Kulturen und Religionen sowohl in der Europäischen Union als auch mit den Völkern in allen Regionen der Welt, insbesondere jenseits des Mittelmeers, im Nahen Osten, zugleich möglich und nötig ist", so EP-Präsident Hans-Gert Pöttering zu Beginn der feierlichen Sitzung.
"Gemeinsam eine geistige und kulturelle Brücke über das Mittelmeer bauen"
Das Ergebnis eines solchen Vorhabens werde die gemeinsame Zukunft nachhaltig prägen. "Wir müssen gemeinsam eine geistige und kulturelle Brücke über das Mittelmeer bauen, die auf gegenseitiger Bereicherung und gemeinsamen Werten beruht", so Pöttering. "Diese Brücke bauen wir durch einen ständigen, ehrlichen und offenen Dialog, in dem wir einander zuhören, unsere Meinungen offen austauschen und ein gegenseitiges Verständnis entwickeln".
Der Kern des interkulturellen Dialogs sei die Toleranz. Toleranz bedeute nicht Beliebigkeit, Toleranz bedeute eigene Standpunkte zu vertreten und die Überzeugung des anderen zu hören und zu respektieren.
Würde des Menschen und Verteidigung der Menschenrechte
"Wir müssen unsere Gemeinsamkeiten, ja die Substanz der universellen demokratischen Werte betonen. Dazu gehören vor allem die Würde des Menschen und die Verteidigung der unveräußerlichen Menschenrechte".
Das Europäische Parlament werde im Laufe des Jahres 2008 und darüber hinaus mehrmals die Gelegenheit ergreifen, solche Gespräche zu führen. Der heutige Besuch des Großmuftis von Syrien bilde die erste Gelegenheit dazu, so Pöttering weiter.
Herausragender Verfechter des interreligiösen Dialogs
Er würdigte die Arbeit von Sheikh Ahmad Badr Al-Din Hassoun, dem früheren Mufti von Aleppo, mit den Worten: "Dr. Hassoun gilt als herausragender Verfechter des interreligiösen Dialogs in einem Lande, wo die religiösen Gemeinschaften in ihrer Vielfalt bis heutzutage friedlich zusammenleben und -wirken".
Ein deutliches Zeichen dafür sei auch die Tatsache, dass der Großmufti bei seinem heutigen Besuch von hochrangigen religiösen Führern begleitet werde, insbesondere vom Bischoff Antoine Odo, dem Präsidenten der chaldäischen Bischöfe von Syrien, so Pöttering abschließend.
Rede des Großmuftis
Der Großmufti bedankte sich zu Beginn seiner Rede bei allen Abgeordneten, die gekommen seien, um ihn anzuhören. Die Parlamentarier bezeichnete er als seine "Brüder auf dieser Erde".
Er wolle dem Europäischen Parlament "von tiefsten Herzen danken", dass er diesen interkulturellen Dialog eröffnen dürfe. Er wolle dabei vor allem den Begriff der "Kultur" hervorheben. Es gebe nur "eine Kultur", die der Mensch geschaffen habe.
"Es gibt nur eine einzige Religion und diese Religion stammt von Gott"
Seiner Meinung nach gebe es auch keine Konfrontation der Kulturen - die Kulturen seien vielfältig, aber der Begriff sei es nicht. "Es gibt nur eine einzige Religion und diese Religion stammt von Gott", so Hassoun. Die Religion gebe der Kultur Werte. "Wir sollten eine gemeinsame Kultur für diese Welt schaffen". Alle Menschen seien "Brüder, Väter, Mütter, Töchter und Söhne". Nun müsse man eine Generation aufziehen, die den Mensch in den Mittelpunkt stelle.
Es gibt keinen heiligen Krieg, allein der Friede ist heilig
"Ich glaube nicht an den heiligen Krieg. Friede ist das einzige, was heilig ist", so der Großmufti. Gott habe den Menschen geschaffen und jeden Mord an einem palästinensischen, einem israelischen, an jedem Kind auf dieser Erde, verurteile er "zutiefst".
Er wolle an die Parlamentarier appellieren, dass der Dialog keine Grenzen haben dürfe. Keiner dürfe gezwungen werden, sich für eine Religion zu entscheiden, denn diese werde allein in der Beziehung zu Gott entschieden.
Brücke der Freundschaft im Land des Friedens
Im "Land des Friedens", in Palästina und Israel, dürfe es keine Mauer geben, sondern eine "Brücke der Freundschaft", dies habe der Papst schon vor Jahren gesagt. Er glaube daran, dass "wir eine einzige Familie sind, die im Haus des Lebens" wohnt.
Parlamentarier sollen alle Menschen und Völker repräsentieren
Auch er sei zehn Jahre lang Abgeordneter im syrischen Parlament gewesen. Er sei "unabhängig" gewesen und habe "jeden einzelnen Menschen vertreten". An die Parlamentarier appellierte er, nicht nur Parteien und Völker zu vertreten, sondern "alle Menschen und Völker" im Bereich des Friedens, der Gerechtigkeit und des Glaubens.
"Niemand darf die Religion missbrauchen um zu töten"
Die Lage im nahen Osten sei "hochexplosiv". Nun gelte es, den Frieden zu verteidigen. Diejenigen, die Terror ausübten, würden weder das Christentum, noch den Islam oder das Judentum verstehen. "Niemand darf die Religion missbrauchen um zu töten. Vielmehr muss jeder das Leben unterstützen".
Die Frau werde in seinem Land respektiert, so der Großmufti weiter. Sie sei "die Herrin". Hassoun unterstrich: "Die Frau wird vom Menschen und nicht von der Religion unterdrückt".
Europa das "Wunder des 20. Jahrhunderts"
Auch sehe er, wie sich Europa entwickelt und nannte Europa das "Wunder des 20. Jahrhunderts". Alle Völker Europas seien in einem Parlament vereinigt. Syrien warte auf die Hilfe Europas.
Weitere Informationen:
- Der Großmufti von Syrien im EP - Englisch : Audio, 20:25
- Der Großmufti von Syrien im EP - Französisch : Audio, 20:25
- Der Großmufti von Syrien im EP - Original : Audio, 20:25
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