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Date :  2007-12-30
langue :  Allemand
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Über den Wandel des Kriegsphänomens im Zeitalter der Globalisierung

Im Gegensatz zur Annahme ewiger Wahrheiten und unveränderlicher Tatbestände gilt Krieg und Kriegführung heute als „Pfahl im Fleische“ der modernen und der postmodernen Welt, beziehungsweise der Globalisierung.

Source :  Endre Kiss


In vielen historischen Konstellationen gelangte man zu der evidenten Auffassung: dies oder jenes ist historisch nicht mehr möglich, dies und jenes sei unvorstellbar geworden. In der Regel erwies es sich jedoch später immer, dass das mehrfach schon als unvorstellbar angesehene Phänomen sich trotzdem wieder ereignete. Trotz dieser Erfahrung von verfehlten Prophezeiungen scheint es uns, dass die Annahme, Globalisierung und Krieg, oder anders gesagt, Globalisierung und Kriegführung dürften nicht mehr zusammengehen, keine Naivität ist. Was auf der Welt wäre denn stark genug, wirklich qualitativ neue Bedingungen und Lebensumstände zu schaffen, wenn nicht gerade die Globalisierung und die Universalität der globalen Kooperation im Zeichen der höchsten gegenseitigen Abhängigkeit ?

Die bisherige Geschichte der Globalisierung (im ganz strengen Sinne läßt sich diese Geschichte erst ab 1989 datieren) erscheint aber selbst insgesamt als „Pfahl im Fleische“, als ein komplettes Scheitern des Konzepts vom Unmöglichwerden des Krieges. Sie ist auch dann noch ein zweifellos negativ auffallendes Phänomen, wenn wir die Globalisierung nicht als „Metaphysik“ oder als Einbahnstraße auffassen und konkreten historischen Alternativen jederzeit ihre legitimen Freiräume zuschreiben.

Ein nahe liegender Grund dieser Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität lässt sich unschwer in der „aktorialen“ Dimension der Globalisierung ausweisen (1). Diese Dimension entsteht durch den stellenweise maßlos vergrößerten Aktionsradius der einzelnen globalen Akteure, der als ein wesenseigener Zug der neuen globalen Struktur gelten muss und der gerade nach den langen Jahrzehnten der kollektivistischen bzw. organisatorischen Integration im Osten wie auch im Westen so viele Überraschungen, wenn nicht gar Schocks für die Bevölkerung hervorrief. Wenn man den vergrößerten Stellenwert der aktorialen Dimension in den Kriegen und Konflikten unserer Tage betrachtet, wird deutlich, dass dieses Element der direkte Auslösungsfaktor dieser kriegerischen Auseinandersetzungen ist. Auf die Politik bezogen heißt das, dass führende politische Akteure unter den Bedingungen der Globalisierung über einen beträchtlichen Spielraum für die Entwicklung ihres Rollenverständnisses verfügen. Mit anderen Worten: Sie haben einen gewaltigen Spielraum, um ihre globale Rolle selber zu interpretieren und der so interpretierten Rolle auch selber Sinn zu geben.

In dieser oft in eigener Regie ausgeführten Sinngebung werden auch zufällige, willkürliche und kontingente Momente neben den notwendigen oder notwendig scheinenden Elementen sichtbar. Es geht dabei um ein vergrößertes Ausmaß der eigenen Entscheidungsfreiheit. Die alten Gewohnheiten funktionieren nicht mehr, die Grundlagen der Urteilsbildung werden unsicher. Das ist nicht unbedingt ein Fehler der heutigen Akteure, macht aber die theoretische Analyse noch schwieriger. Es ist und bleibt offen, ob hinter einer Entscheidung eine kleine, aber starke Interessengruppe oder die komplexen Überlegungen über die neuen Qualitäten der globalen Raum-Zeit-Verhältnisse oder gar die fortschreitende Verzeitlichung des Raumes
steht (2).

Kriege oder Konflikte sind keine direkten Bestandteile einer Theorie der Globalisierung. In diesem Zusammenhang bestätigt sich jedoch wieder, dass ein wissenschaftliches Ergebnis (oder eine starke Hypothese) gleichzeitig nicht nur Endergebnis sondern auch ein neuer Ausgangspunkt ist. Wenn man ein einigermaßen klares Bild von der Natur der Globalisierung hat, werden im Kontext auch deren Konsequenzen für Krieg und Frieden deutlich.

Allerdings schien es lange so, dass Globalisierung (und die mit ihr verbundenen neuen historischen Fakten und Prinzipien) die traditionellen Fragestellungen zu Krieg und Frieden endgültig veralten lassen. Die Welt von Auf- und Abrüstung, von Kriegen und traditionellen Ängsten und Hoffnungen im Zusammenhang mit Krieg und Frieden schien endgültig untergegangen zu sein. Als eine Welt des Vorgestern erschien sie im Jahr der historischen Wende 1989.

Anstatt aber zu einem historischen Gegenstand geworden zu sein, erscheinen Konflikte und Kriege inzwischen aber als immer alltäglichere Ereignisse. Dadurch entsteht der Ausgangspunkt für eine Reflexion, die auf die klassische Fragestellung von Clausewitz zurückgehen muss. Aus theoretischer Sicht lässt sich nämlich der Gegenstand Krieg allein nach der von Clausewitz entwickelten Logik thematisieren. Jeder andere Zugang wäre irreführend. Wäre Krieg nämlich nicht als Fortsetzung der Politik definiert, würde jeder Willkür Tür und Tor geöffnet. Die außerodentlichen Ereignisse des Krieges, vor allem die zeitweilige Aufhebung der Moral und des Tötungs-Tabus könnte man auch anders erklären. Diese Möglichkeiten würden aber die Relevanz von Clausewitz‘ Lösung nicht erreichen können.

Die Konflikte unserer Tage lassen sich eindeutig im Rahmen der Grundidee von Clausewitz über das Verhältnis von Politik und Krieg lösen. Allerdings erscheinen diese Konflikte in einer neuen Semantik und Begrifflichkeit.

Eine semantische Verschiebung ist gleichzeitig auch ein Wechsel im sozialen Verhalten. Man redet anscheinend lieber von einem „fund raising“ bei der Planung einer wissenschaftlichen Konferenz als davon, dass man gewisse Summen bei einflussreichen Akteuren „erbittet“. Man muss zugleich darauf aufmerksam machen, dass es nicht die soziale Realität ist, die anders wird (denn das Bedürfnis nach Geld bleibt unangetastet), sondern der von uns angestrebte Schein, denn wir sind es, die lieber als „fund raiser“ denn als „Bittsteller“ in die Erinnerung unserer Gesellschaft eingehen wollen. Zum zweiten ist so eine semantische Verschiebung unter dem Aspekt einer unabhängigen wissenschaftlichen Beobachtung (wie der Soziologie) auch ein selbständiges Phänomen. Zum dritten ist aber so eine semantische Verschiebung auch eine deutliche Modifizierung des heuristischen Potentials und der heuristischen Ausrichtung einer wissenschaftlichen Terminologie. Sinngemäß verstehen wir unter „heuristischer“ Dimension eine Ausrichtung, die die mit dem Thema verbundenen wissenschaftlichen Forschungen unmittelbar beeinflusst. Durchaus demonstrativ zeigt die Größenordnung der Bedeutung der heuristischen Dimension etwa das Beispiel, dass jeder Konfliktforscher mit ruhigem Gewissen zu der These steht, „Konflikte sind unvermeidlich“, wohingegen er ganz gewiss die These „Kriege sind unvermeidlich“ nicht mehr öffentlich vertritt. Mit der Kategorie „Konflikte“ lassen sich andere Forschungen und Strategien realisieren als mit der des „Krieges“. Wie tief semantische Verschiebungen das heuristische Denken und die Heuristik der Praxis beeinflussen, hat George Orwell mit den sprachlichen Entdeckungen seines Romans „1984“ in geradezu klassischer Weise deutlich gemacht.

Diese semantische Verschiebung – und das gehört auch in die Orwell’sche Phänomenenwelt – erzeugt auch eine inverse, entgegengesetzte Bewegung. Während Kriege und kriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen als „Konflikte“ bezeichnet werden, erlebt man auf der anderen Seite eine deutliche Inflation des Begriffes „Krieg“. In dieser Inversion werden Konflikte niedriger oder mittlerer Intensität oder beliebige andere Auseinandersetzungen als „Krieg“ bezeichnet (etwa: Krieg gegen Kriminalität, Krieg für Rohstoffe, Krieg der Zivilisationen (!).Vom Wesen des Gegenstandes her erscheint der „Krieg der Zivilisationen“ als ein Phänomen, das je nach Zusammenhang als Krieg oder als Konflikt bezeichnet werden kann; hier kann die Semantik keine eindeutig positive Lösung finden. Vor unseren Augen wird aber vom „Konflikt“ ein wirklicher „Krieg“ in diesem Fall schreibt die Semantik wieder vor, was in der Wirklichkeit passiert.

Eine heute noch schwer einzuschätzende weitere Konsequenz der semantischen Verschiebung ist das mit dem Verschwinden des Begriffes „Krieg“ eng zusammenhängende Verschwinden des Terminus‘ „Frieden“. Zwar greifen wir hierbei nicht gleich auf Orwell zurück; es liegt aber auf der Hand, dass die Suspendierung des Wortes „Frieden“ deutliche begriffspolitische und mediale Konsequenzen hat. Uns fällt auf, dass das Fehlen dieses Begriffes die Interpretation der konfliktreichen aktuellen Situation deutlich leichter macht, denn es würde gewiss schwer fallen und zynisch vorkommen, den Gesamtzustand als „Frieden“ zu bezeichnen. Es darf aber auch nicht unterschätzt werden, dass durch das Fehlen des Begriffes „Frieden“ auch eine ganze Kultur bzw. kulturelle Aura in Vergessenheit geraten kann. Und das ist noch nicht alles: durch das Verblassen der sprachlichen Präsenz des Begriffes „Frieden“ büßt Frieden auch seine längst gewohnte normative Bedeutung ein.

Wie wir schon aus mehreren Perspektiven feststellen konnten, macht die semantische Verschiebung die permanenten Konflikte zum Bestandteil der Normalität. Sie suspendiert sie als Ausnahmezustände und katapultiert sie in den Bereich bürgerlicher Normalität. Nicht nur für die öffentliche Meinung gehört es zur Normalität, wenn etwa von „Kollateralschäden“ einer militärischen Intervention die Rede ist. Auch für eine neue, ebenfalls voll anerkannte Gruppe von Berufen und Missionen bedeuten Konflikte (und erst recht bewaffnete Konflikte) die neue Normalität des beruflichen Alltagslebens, wobei sie dann ihrerseits als organisierte Berufsgruppen in den bewaffneten Konflikten ein neues Arbeitsfeld wahrnehmen können

Der hybride Charakter des aktuellen Tatbestandes läßt sich in diesem Zusammenhang ebenfalls nachweisen. Während eine systematische Vorbereitung auf Konfliktmanagement in dieser Situation nicht als problematisch angesehen werden kann, erscheint die Gefahr, das Risiko, der bewaffnete Konflikt als nicht mehr nachgefragtes Arbeitsgebiet für junge Talente.

Internationale Kriege bzw. Konflikte bestehen aber nun auch nicht mehr aus zwei Kontrahenten. Diese Konflikte rufen auch eine dritte Seite auf den Plan: die Vertreterin und Repräsentantin der internationalen Öffentlichkeit. Diese dritte Seite erscheint als Notwendigkeit, andererseits aber auch als ein ständiger Faktor, dessen Funktionieren und eigene Interessen eine eigenständige Sphäre konstituieren. Mit einem gewiss vereinfachenden Vergleich wird so die dritte Seite zu einer primären Mediatorin der Ereignisse, die wirklich „vermittelt“. Gerade mit dieser einerseits noch kaum umrissenen und andererseits in jedem konkreten Fall sich anders gestaltenden Mediationsfunktion hängen aber auch all die problematischen Momente der neuen Krieg – Frieden- Thematisierungen zusammen. Es entsteht eine neue Kraft, gewiss notwendig und unvermeidlich. Sie erfüllt aber eine so komplexe und bestimmende Mediationsfunktion, die sich – nach Marshall McLuhans These – aus einem Medium in eine „Botschaft“ verwandelt. Daher auch die weiteren Legitimationsprobleme. Was nämlich als Medium legitim ist, ist nicht mehr unbedingt legitim als eigene oder gar als selbständige „Botschaft“ (3).

Die semantische Verschiebung strahlt in jede mögliche Richtung aus und zieht stilistische, moralische, atmosphärische, soziologische und viele andere Konsequenzen nach sich. Wie angedeutet, sind aber gerade die heuristischen Konsequenzen die bedeutendsten, denn diese bestimmen ganze Verfahrensreihen, Strategien, Kategorisierungen. Auf die Ebene der politischen Wissenschaften transponiert, entscheiden die heuristischen Konsequenzen, wie und mit welcher Begrifflichkeit eine Fragestellung wissenschaftlich problematisiert wird. So wird es beispielsweise im Umfeld dieser Verschiebung beinahe unmöglich, zwischen Konflikt und bewaffnetem Konflikt sowie zwischen bewaffnetem Konflikt und Krieg zu unterscheiden. Welche Konsequenzen das für die demokratische Öffentlichkeit im globalen Maßstab haben wird, ist leicht nachzuweisen. In einer globalen Welt wird die Chance, ein solides Bild von der „Welt“ zu haben, dadurch entscheidend minimiert.

Die schwieriger werdende Identifizierung der Phänomene ist aber kein rein semantisches Problem. Die semantische Aufweichung ergibt sich vielmehr deutlich aus der Entfernung von der durch Clausewitz gegebenen Basis - Definition. Diese Qualität der Beschreibung eines Phänomens könnte auch an sich zum Gegenstand einer wissenschaftslogischen Untersuchung werden. Es dürfte wohl nicht allgemein bekannt gewesen sein, welch große und beinahe superlativistische Anerkennung Clausewitz von seiten der Philosophen umgab (4). Eine große Anzahl der Philosophen war gezwungen, sich in einer konkreten historischen Situation mit der Problematik des Krieges auseinanderzusetzen. In dem Moment aber, als sie auf Clausewitz stießen, verwandelte sich ihr von außen geleitetes Interesse in eine aufrichtige Bewunderung für dessen Werk. Im Zuge dieser Bewunderung übernahmen sie schnell dessen Ausgangspunkt und erhoben Clausewitz dadurch zu einem wahren Klassiker.

In positiver Sicht war es in Clausewitz‘ Lösung die beinahe minimalistische Evidenz, das Wesen des Krieges in der Politik identifiziert zu haben. Fast noch wichtiger als diese Meisterleistung war aber die Bedeutung dieser Definition in negativer Hinsicht. Denn der regelmäßige und professionelle Bruch von Tabus (der ja im Krieg eine Alltagserscheinung ist) verlangt in der Reflexion eine Erklärung, die auf der theoretischen Ebene diesem Exzellenzphänomen Paroli bieten kann ! Es ist unter den Bedingungen unserer Denkkultur notwendig, bei der Erklärung eines Kriegsphänomens die tieferen kulturellen und/oder zivilisatorischen Fragen zu beantworten. Im Falle einer zu starken Betonung solcher Erklärungen wird aber der Schwerpunkt von der Politik und der internationalen Ebene auf das Niveau der Reflexion verlagert, was dann letztlich das Erkenntnisinteresse der Politik und der Gesellschaft nicht mehr befriedigen kann (5). Durch diese fast minimalistisch anmutende Evidenz erzielt Clausewitz‘ Definition eine Rationalität, die wegen der Natur des spezifischen Gegenstandes auch noch eine moralische Dimension aufweist. Durch das klare Ausschließen von irrationalen Erklärungen verschafft sie eine gewisse ‚seelische Hygiene‘ bei der Klärung und Erklärung dieses am schwersten zu verstehenden Phänomens. Sie disqualifiziert Mythologien und esoterische Erklärungen, ganz zu schweigen von jenen alten und neuen metaphysischen Erklärungsmustern, die Kriege immer wieder kurzschlüssig als seinsgeschichtliche und schicksalhafte Ereignisse erscheinen lassen (6).

Die Problematik des Krieges ist gleichzeitig auch ein deutliches Beispiel dafür, wie die semantische Transformation in die Veränderung der Heuristik hinübergeht. Durch diese semantische Verschiebung büßt nämlich auch die klassische Definition von Clausewitz ihre Gültigkeit und Relevanz zu einem großen Teil ein. Die direkte Definition des Krieges wird komplizierter und gleichzeitig auch willkürlicher. Zufällige Akteure der Politik und der Medien können in der Bestimmung einer Situation als Krieg wichtig werden. Zu diesem Umfeld der Willkürlichkeit können sich schließlich auch noch Momente gesellen, die heute noch nicht als allgemein verbreitet gelten. Man stelle sich etwa vor, dass in einem internationalen "Konflikt"“ einige Akteure zur privaten Wirtschaft gehören und dann die Persönlichkeitsrechte der Söldner zum Vorwand genommen werden, über diesen Konflikt nicht ausreichend zu berichten.

Die Evidenz, die Geltung, wenn man will, die „Ästhetik“ der Definition von Clausewitz stammt aus seinem theoretisch relevanten Ansatz, so dass ihre semantische Transformation eine Wahrheitsqualität verdrängt, die so spontan nie wieder zu kommen pflegt. Clausewitz leistete nämlich auf einem genuin philosophischen Feld Bedeutendes. Er kategorisierte ein Gegenstandsfeld, welches bis dahin noch nicht kategorisiert worden war. Wenn die ersten Schritte in die falsche Richtung gehen, ist die Konsequenz nicht nur eine falsche, d.h. später zu überholende Beschreibung, sondern falsche Vorstellungen, die ins Vakuum des nicht gültigen semantischen Raumes hineindrängen.

Carl Schmitt, der in seiner Würdigung von Clausewitz vermutlich eine seiner hervorragendsten analytischen Leistungen vollbrachte, kam in seinem Gedankengang zur Einsicht in das „Labyrinth der Legitimitäten“ (7). Der Stellenwert der Legitimität im Kontext des Krieges weist zunächst zurück auf das Politische (dessen Fortsetzung ja der Krieg selber ist). Die Tatsache aber, dass die Legitimität nicht genuin eine Dimension des Krieges , sondern eine der Politik ist, kann nicht vergessen machen, dass Legitimität in einer potenzierten Form die Problematik des Kriegs bestimmt. Durch die in unserem Versuch im Mittelpunkt stehende semantische Verschiebung verändern sich folglich auch die Rahmenbedingungen für die Feststellung der Legitimität der einzelnen Akteure. Carl Schmitts treffender Ausdruck („Labyrinth der Legitimitäten“) versinnbildlicht gleichsam die neue Situation im Verhältnis des Politischen zum Kriege.

Das „Labyrinth der Legitimitäten“ wird im wahrsten Sinne des Wortes ein konkretes Phänomen im Falle von internationalen Konflikten, die von einer dritten Kraft bearbeitet und betreut werden. Denn letztlich liefert das Menschenrechtsdenken die Legitimierung für die Konstituierung so einer dritten Kraft.

Die Möglichkeit, die Gedankenwelt der Menschenrechte in der internationalen Politik und im internationalen Recht zur Geltung zu bringen, gilt auch in diesem Zusammenhang als einer der aktuellsten und im wahrsten Sinne des Wortes zeitgemäßesten Versuche, die für die neue Beschaffenheit des Staates (oder des „Nationalstaates“) von entscheidender Bedeutung sein können. Dass dieser Versuch, worüber noch in vielen unterschiedlichen Kontexten die Rede sein wird, ein genuin neoliberaler ist, versteht sich von selbst, so dass wir auch von einer neoliberalen Ausdehnung des internationalen Rechts sprechen können.

Die neoliberale Ergänzung des internationalen Rechts ist zutiefst mit einer konkreten und weltpolitisch relevanten Form der Globalisierung verbunden und also nicht mit der Globalisierung par excelence assoziiert. Über diese relevante Form - wenn man will Realisation oder Manifestation – der Globalisierung müssen wir uns in diesem Kontext nicht ausführlich äußern, denn unser Thema ist die Möglichkeit der Ausdehnung des internationalen Rechts durch den Neoliberalismus, im Konkreten durch das Menschenrechtsdenken. Da nicht einmal der neoliberale Charakter des aktuellen Globalisierungsprozesses ein ganz konkretes Modell involviert ( da es, wie gesagt, mehrere neoliberale Variationen desselben gibt ), können wir auch über den neoliberalen Komplex in derselben Allgemeinheit reden, wie wir es im Falle der Globalisierung tun müssen. Über diesen Komplex müssen wir – wie es sich von selbst versteht – aus dem Grunde unbedingt reden, weil diese Idee der Ausdehnung des internationalen Rechts durch Menschenrechtsdenken unverkennbar neoliberalen Ursprungs ist. In einem Konflikt nahmen bis jetzt vornehmlich nur die zwei Kontrahaenten teil, von nun an aber drei. Eine Neuverteilung von Kompetenzen und Legitimitaeten nimmt ihren Anfang.




Fussnoten:

(1) Über die aktoriale Dimension s. E.K.A globalizacio aktorai, az aktorok globalizacioja. In:Jöv kutatasi körkep. Tanulmanyok a jöv fenyköreb 1. Budapesti Corvinus Egyetem, Jöv kutatasi Tanszek. 2006.
(2) S. darüber: A törteneti-tarsadalmi ter es idö a jövökutatas perspektivajabol. In: Tarsadalmi ter, ido, teridö a jövökututasban. Herausgegeben v. Eva Hideg. Budapest 2005, 7-27.
(3) Karl Kraus beschrieb es in seinem „Die letzten Tage der Menschheit“, wie manchmal an der Front Ereignisse geschehen, weil die führende Berichterstatterin, die unvergessliche Frau Schalek, gerade dort auftritt ...
(4) S. Günter Dill (Hrsg.): Clausewitz in Perspektive. Frankfurt/M. - Berlin – Wien 1980.
(5) Ganz exemplarisch enthält diese Logik Leo Tolstois schriftstellerische Reflexion über die Gründe des Krieges in seinem großen Roman „Krieg und Frieden“. Darin ist auch die Einsicht enthalten, dass man ohne die Komponente des Politischen diese Frage nicht beantworten kann.
(6) Gerade hier liegen die Schwachpunkte des Verfahrens, wenn man „Konflikte“ für notwendig erklärt.
(7) Clausewitz in Perspektive. S. 419.


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