Das Parlament hat Ihnen den Preis für Ihren Einsatz für Demokratie, Dialog und Rechtsstaatlichkeit verliehen. Wird die Verleihung Folgen für Ihren Kampf gegen Ungerechtigkeit haben?
- Ich freue mich sehr über den Preis und sehe ihn als Anerkennung des Einsatzes von mir und anderen für die Menschenrechte, im Sudan und in Darfur im Besonderen. Wir laufen ständig Gefahr, eingeschüchtert, eingesperrt oder gefoltert zu werden. Trotzdem besteht, denke ich, eine ethische und moralische Verpflichtung den Menschen beizustehen.
In Darfur herrscht enormes menschliches Leid und für mich als Anwalt ist es Völkermord: Mehr als 400.000 Menschen wurden umgebracht und über 2.000 Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Vergewaltigung, zum Teil von achtjährigen Mädchen, wird als Waffe eingesetzt. Viele Vergewaltigungen geschehen vor den Augen der männlichen Angehörigen der Opfer, um diese zu erniedrigen.
Angesichts schlimmster Verstöße gegen die Menschenrechte und gegen das internationale humanitäre Völkerrecht ist die Justiz abwesend. Es herrscht Gesetzlosigkeit und ein Klima der Straflosigkeit. Die Täter sind jenseits des Arms des Gesetzes. Das Justizsystem ist weder in der Lage noch Willens, Recht zu schaffen.
Ihr Land befindet sich inmitten eines Bürgerkriegs, der bereits hunderttausende von Leben gefordert und in dem Millionen von Menschen vertrieben wurden. Was ist der Schlüssel zu Frieden und Versöhnung?
- Ohne Recht und Gerechtigkeit kann es in Darfur und im Sudan keinen Frieden geben. Recht ist eine essentielle Grundlage für Frieden und es darf der Politik nicht untergeordnet werden.
Im Süden Sudan wurden mehr als zwei Millionen Menschen getötet und vier Millionen haben ihre Heimat verloren. Recht dient nicht der Rache, sondern einem dauerhaften Frieden und einer möglichen Versöhnung. Aufgrund der Art der Gräuel werden die Opfer ihre Leiden niemals vergessen, daher sind Recht und Gerechtigkeit so wichtig.
Nach langem Schweigen ist die Weltgemeinschaft aufgewacht. Könnte Europa mehr für Darfur tun? Welche konkreten Schritte sind notwenig?
- Für viele Opfer und Überlebende kam das Einschreiten der internationalen Gemeinschaft zu spät. Viele UN-Resolutionen wurden niemals wirklich umgesetzt. Nichtsdestotrotz hat die internationale Gemeinschaft – Europa, Amerika, Kanada – durch humanitäre Hilfe das Leben von mehr als fünf Millionen Menschen gerettet.
Aber das reicht nicht. Es sterben immer noch täglich Menschen. Den Vertriebenen, die teilweise seit vier Jahren in Flüchtlingslagern leben, muss die sichere und würdevolle Heimkehr in ihre Dörfer ermöglicht werden. Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen nunmehr seit über vier Jahren in Camps leben.
Die Europäer könnten sich noch mehr Gedanken machen um Darfur – zum Beispiel Solidaritätskundgebungen für die Menschen in Darfur organisieren wie in den USA.
Europa muss mehr Druck auf die sudanesische Regierung ausüben, um den Einsatz internationaler Streitkräfte zuzulassen. Auch Europa sollte im Sudan Truppen einsetzen, diese sind notwendig um Menschleben zu retten und der anhaltenden Vernichtung unserer Dörfer Einhalt zu gebieten.
Welchen Einfluss wird die Verleihung des Sacharow-Preises, den auch Nelson Mandela erhalten hat, auf Ihre Arbeit haben?
- Es ist eine unglaubliche Ehre, den gleichen Preis wie die Legende Nelson Mandela zu bekommen. Es macht mir Mut, dass andere jetzt von meiner Tätigkeit erfahren werden. Viele Menschen haben angefangen zu begreifen, dass dieser Preis nicht nur mir, sondern auch Darfur, dem Sudan und ganz Afrika zugute kommt.
Weitere Informationen:
Flash-Animation
Blickpunkt-Dossier Sacharow-Preis
Video-Interview
Darfur-Blickpunkt-Dossier
Dokument über Lage in Darfur (Nov. 07)
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Interview (EN) : Audio, 06:57