Das BIP - nicht länger eine maßgebliche Messgröße des Wohlergehens
Die Entwicklung hin zu einer Wirtschaft mit geringem Kohlenstoffeinsatz, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die Förderung der Ressourceneffizienz und die Verwirklichung des sozialen Zusammenhalts sind heute ebenso wichtig wie das Wirtschaftswachstum. Die umfassende Messung dieser Größen zur Quantifizierung des Wohlergehens eines Landes ist sehr komplex, und die meisten der heute verwendeten Wirtschaftsindikatoren – wie das BIP (Bruttoinlandsprodukt) – werden dieser Komplexität nicht in vollem Umfang gerecht.
Der BIP-Indikator wurde im Zuge der Großen Depression und des darauf folgenden Zweiten Weltkriegs entwickelt, um politischen Entscheidungsträgern einen Maßstab für Wirtschaftsleistung und Wirtschaftsaktivität an die Hand zu geben. Unsere heutige Wirtschaft und Gesellschaft sind mit der Situation Mitte des 20. Jahrhunderts, als das BIP konzipiert wurde, jedoch kaum noch vergleichbar.
Politische Entscheidungsträger konnten anhand des BIP mit Sicherheit eine zweite große Depression verhindern, den Wiederaufbau nach dem Krieg lenken und die letzten 40 Jahre lang nie da gewesenes Wirtschaftswachstum aufrechterhalten. Der Indikator allein ist jedoch nicht in der Lage, alle Facetten und Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft zu reflektieren. So kann ein wachsendes BIP erhebliche Wohlstandsverluste und sinkendes Wohlergehen verbergen. Ein Land könnte beispielsweise seinen gesamten Forstbestand abholzen oder Kinder zur Arbeit anstatt zur Schule schicken und dadurch sein BIP anheben, ebenso wie ein Orkan, der tausende Menschenopfer fordert und großflächige Zerstörung hinterlässt, aufgrund des darauf folgenden Wiederaufbaus das BIP positiv beeinflussen könnte.
Jenseits des BIP
Laut BIP hat sich die Leistung der wirtschaftlich stärksten Länder seit den 50er Jahren bis zum heutigen Tag kontinuierlich verbessert. Anhand anderer Indikatoren lässt sich aber erkennen, dass der Fortschritt nicht mit dem BIP Schritt gehalten hat und dass der wirtschaftliche Wohlstand einiger Länder in bestimmten Zeiträumen sogar stagniert hat.
In den beiden vergangenen Jahrzehnten wurde eine Reihe alternativer Indikatoren entwickelt, die ergänzend zum BIP zur Messung des Fortschritts und der Gesundheit der Wirtschaft herangezogen werden. Sie betreffen vom BIP nicht erfasste Aspekte wie die langfristige Anhäufung von (natürlichem, wirtschaftlichem und sozialem) Wohlstand, Lebenserwartung, Alphabetisierung und Bildung sowie die negativen Auswirkungen der Umweltverschmutzung und Ressourcenverschlechterung.
Einige dieser Indikatoren werden heute bereits angewandt, um ‘echte Fortschritte’ bei der Ziel- und Prioritätensetzung zu messen. Im März 2001 hat die Walisische Nationalversammlung (Welsh Assembly) dieses System als erste öffentliche Verwaltung der Welt zum Einsatz gebracht. Diese Indikatoren sind jedoch weder homogen noch gängig.
Die Europäische Union entwickelt zurzeit einen Indikator, der es ermöglichen soll, den ökologischen Fortschritt zu messen, und der zudem die integrierte Buchführung und andere Subindikatoren heranzieht, um die politische Entscheidungsfindung zu verbessern. Eine vorläufige Fassung dürfte bis 2009 operativ sein. Die Initiative fällt in den Rahmen des Globalprojekts, das auf dem OECD-Weltforum von Istanbul über den Fortschritt der Gesellschaften (Juni 2007) lanciert wurde, um dem Appell nach internationalen Messindikatoren Folge zu leisten. Der World Wide Fund for Nature (WWF), ein weiterer Partner der Jenseits des BIP-Konferenz, hat einen Indikator entwickelt, der dem Abbau ökologischer Ressourcen Rechnung trägt.
Die Jenseits des BIP-Konferenz
Die Jenseits des BIP-Konferenz gibt den Startschuss für die politische Debatte über das Erfordernis, über die Grundsätze des Bruttoinlandsproduktes hinauszugehen. Sie wird am Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel stattfinden. Rund 600 Teilnehmer aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt werden anwesend sein. Redner werden sein: José Manuel Barroso (Präsident der Europäischen Kommission), Hans-Gert Pöttering (Präsident des Europäischen Parlaments), S.E. Häuptling Emeka Anyaoku (Präsident, WWF), Ashok Khosla (Co-Präsident, Club of Rome) und Pier Carlo Padoan (stellvertretender Generalsekretär, OECD).
Die Konferenz wird live aufgenommen und über die Konferenz-Website:
übertragen. Die für den 19. November um 12 Uhr 30 anberaumte Pressekonferenz und bestimmte Konferenzsitzungen werden auch Fernsehsendern zugänglich sein: http://ec.europa.eu/avservices/ebs/schedule.cfm
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