Nach Angaben von Eurostat halten sich derzeit etwa 18,5 Millionen Drittstaatsangehörige in den 27 EU-Mitgliedstaaten auf, während nahezu 9 Millionen EU-Bürger in einem Mitgliedstaat leben, der nicht ihr Herkunftsstaat ist. Die Zahl der illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen in der EU liegt (uneinheitlichen) Schätzungen zufolge zwischen 4,5 Millionen und 8 Millionen Personen. Die Dimension der Wanderungsbewegungen übersteige die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, sie auf sich gestellt zu bewältigen, so das Europäische Parlament. Es handele sich um eine Herausforderung von europäischer und globaler Dimension, die eine Antwort in gleicher Dimension erfordere. Die EU insgesamt müsse sich daher mit den Mitteln ausstatten muss, um die in dreifacher Hinsicht – wirtschaftlich, demografisch und sozial – bestehende Chance zu ergreifen, die die Zuwanderung für unsere Gesellschaften darstellen könnte.
"Umfassender und kohärenter" Ansatz für die Zuwanderung auf EU-Ebene
Die Abgeordneten machen deutlich, dass auf EU-Ebene ein "umfassender und kohärenter" Ansatz für die Zuwanderung erforderlich ist, weil eine Änderung der Zuwanderungspolitik in einem Mitgliedstaat die Migrationsströme und die Entwicklung in den anderen Mitgliedstaaten beeinflusse. Gleichwohl blieben nach wie vor die EU-Mitgliedstaaten "de jure und de facto" zuständig für die Festlegung der Zahl der Wirtschaftsmigranten sind, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Union zugelassen werden.
Gut gesteuerte legale Zuwanderung erforderlich
Angesichts der Überalterung der Bevölkerung und des demografischen Wandels müsse die Zuwanderungspolitik "überdacht" werden. Die derzeitige und künftige Lage auf den Arbeitsmärkten in der EU mache "ganz allgemein betrachtet eine gut gesteuerte legale Zuwanderung erforderlich". Zuwanderung sei für die Wirtschaftsentwicklung, das Wachstum und folglich die Beschäftigung in Europa bedeutend. Laut Eurostat, so das EP, werde der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung bis 2050 um über 50 Millionen abnehmen.
Unterstützung für EU-Arbeitserlaubnis („Blue Card“)
Die Abgeordneten unterstützten die Einführung einer EU-Arbeitserlaubnis (der so genannten „Blue Card“), um die Freizügigkeit von Spitzenkräften in Europa und die Versetzung von Arbeitnehmern innerhalb multinationaler Konzerne zu erleichtern. Die EU-Kommission wird aufgefordert, eine kurz- und mittelfristige Prognose des in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Bedarfs an zusätzlichen Arbeitskräften durchzuführen.
Ebenso sprechen sich die Abgeordneten für Maßnahmen zur "Steigerung der Attraktivität" der Union für hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus, um so den Bedarf des Arbeitsmarktes zu decken. Zu diesem Zweck müssten EU-Kommission und Mitgliedstaaten Wege finden, um ihnen das Recht einzuräumen, sich in der EU frei zu bewegen, und um ihnen zu gestatten, nach Ablauf ihres Vertrags oder nach ihrer Entlassung einen begrenzten Zeitraum in der EU zu bleiben, um eine Beschäftigung suchen zu können.
Bekämpfung des Menschenhandels
Die Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Minderjährigen, sei eine Priorität der EU im Rahmen der Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Es sei deshalb erforderlich, angemessene finanzielle Mittel für diese Tätigkeit bereitzustellen. Die Abgeordneten begrüßen den diesbezüglichen Aktionsplan der Kommission.
Es sei "höchste Zeit", deutliche und konkrete Ziele zu setzen, um beispielsweise die Zahl der Personen, die Opfer des Menschenhandels werden, in den kommenden zehn Jahren zu halbieren. Das übergreifende Ziel müsse darin bestehen, diese Form des Verbrechens schnellst möglich zu beseitigen.
Zusammenarbeit mit Drittländern
Das Parlament ist der Überzeugung, dass der multidimensionale Charakter der Zuwanderung eine enge Zusammenarbeit mit allen betroffenen Drittländern erfordere. So müsse die EU beispielsweise in Bezug auf die Steuerung der Migrationsflüsse ihre Zusammenarbeit mit allen Partnerländern im Mittelmeerraum intensivieren und sie bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung unterstützen.
Als "vorbildlich" wertet das EP, dass einige Mitgliedstaaten mit verschiedenen afrikanischen Ländern Kooperationsabkommen über Einwanderung abgeschlossen haben. Mitgliedstaaten und Kommission werden ermutigt, die Zusammenarbeit auszubauen und weiterhin derartige Programme zu entwickeln. Auch die Auflegung eines EU-Programms für Migration und Entwicklung in Afrika mit einem Volumen von zunächst 40 Millionen EUR, das auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in Afrika abzielt, begrüßen die Abgeordneten.
Kampf gegen illegale Beschäftigung
Die EU und die Mitgliedstaaten müssten entschieden gegen die illegale Beschäftigung von Zuwanderern vorgehen und dazu eine Vielzahl von Sanktionen gegen die Arbeitgeber einsetzen. Auch müsse die Arbeitsaufsicht verstärkt werden.
Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung hätten nicht nur eine wirtschaftliche und eine soziale, sondern auch eine psychologische Dimension, so das EP: indem einige der Faktoren beseitigt werden, die Europa attraktiv machen (die Möglichkeit, Arbeit zu finden, selbst wenn dies nur unter Bedingungen möglich ist, die in völligem Widerspruch zu den Grundrechten stehen), soll durch diese Maßnahmen der Anreiz verringert werden, in die EU auszuwandern. Zudem sollen sie dazu beitragen, die Schattenwirtschaft zurückzudrängen.
Sichere Grenzen und integrierte Verwaltung der Außengrenzen
Grenzkontrollen seien für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung von besonderer Bedeutung, argumentiert das Parlament. Die Grenzkontrolle müsse unter menschenwürdigen Aufnahmebedingungen für die Personen und unter voller Achtung des Rechts auf Asyl und internationalen Schutz erfolgen, einschließlich, neben anderen Aspekten, des Grundsatzes und der Praxis der Nichtabschiebung. Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX spiele in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle und müsse daher mit den notwendigen Mitteln für ihre Tätigkeit ausgestattet werden.
Die Mitgliedstaaten fordert das EP auf, "gemeinsame Patrouillen" zu schaffen, die das ganze Jahr hindurch zur Grenzkontrolle eingesetzt und von Frontex koordiniert werden und in allen Regionen mit erhöhtem Risiko und besonders an den Seegrenzen operieren.
"Besondere Verantwortung" der Medien
Schließlich unterstreichen die Abgeordneten die "besondere Verantwortung" der Medien, insbesondere der europäischen öffentlich-rechtlichen Radiosender und Fernsehanstalten, ein richtiges Bild von der Zuwanderung zu verbreiten und Stereotypen entgegenzuwirken. Mehrer Länder hätten verschiedene Regelungen für die legale Zuwanderung eingeführt, die auf Quoten oder Punkten basieren. Es sei "folglich falsch, die Auffassung verbreiten zu wollen, die Zuwanderung werde nicht kontrolliert".
Nachstehend finden Sie eine Zusammenfassung der heutigen Debatte zu diesem Thema:
Für die portugiesische Ratspräsidentschaft sagte Manuel LOBO ANTUNES, eines der Ziel des Rates sei es, die Beziehungen zu Nachbarländern und Drittstaaten zu vertiefen und Möglichkeiten für legale Zuwanderung zu entwickeln. Er hob hervor, dass die EU-Grenzschutzagentur gut arbeite und eine wichtige Rolle spiele. Der Rat befasse sich gerade mit einer Richtlinie zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Zuwanderern. Auch stünden eine EU-weit einheitliche Aufenthaltsgenehmigung sowie eine besondere Arbeitserlaubnis auf der Agenda des Rates.
EU-Kommissar Franco FRATTINI betonte, dass ein "globaler Ansatz" für Migration nötig sei, vor allem auch wegen der Gründe wie Armut und Perspektivlosigkeit, die Leute zur Emigration veranlassten. Ein auf die Sicherheit fokussierter Ansatz könne nur ein Teil der Lösung sein. Mit Blick auf die legale Immigration sagte er, die EU bräuchte Einwanderer, nicht nur wegen ihrer schrumpfenden Bevölkerung, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft. Die EU-Arbeitserlaubnis ("Blue Card") könnte eine Antwort auf Europas Bedarf an hochqualifizierten Beschäftigten sein.
Lilli Gruber (SPE, IT), Berichterstatterin für die legale Zuwanderung, betonte, dass "unsere Wirtschaft nicht funktionieren" würde ohne Immigranten. Auswanderung habe Gründe, etwa Krieg und Armut, und die EU müsse Politiken entwickeln, um damit umzugehen. Sie betonte, dass verlässliche Statistiken über Zuwanderung nötig seien. Auch hob sie die Bedeutung von Politikern und den Medien in diesem Bereich hervor.
Javier MORENO SÁNCHEZ (SPE, ES), Berichterstatter für Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung, argumentierte, dass Einwanderung notwendig sei, illegale Zuwanderung aber bekämpft werden müsse. Sichere Grenzen seien wichtig und die EU-Grenzschutzagentur Frontex arbeite effektiv. Eine gemeinsame EU-Politik zur Rückführung von Migranten sei notwendig.
SprecherInnen der Fraktionen:
Die Rettung von Leben, der Respekt der menschlichen Würde und ein solider Rechtsrahmen sollten die Prinzipien einer EU-Zuwanderungspolitik sein, so Joseph DAUL (EVP-ED, FR). Es gebe ca. 10-15 Millionen illegale Immigranten in der EU und der Umgang mit diesen müsste auf dem Respekt der Menschenwürde beruhen. Massenregularisierung könne jedoch nicht die Antwort sein.
Claudio FAVA (SPE, IT) sagte, der einfachste Weg, illegale Einwanderung zu stoppen, sei es, Wege für die legale Zuwanderung zu eröffnen. Er unterstrich darüber hinaus die Bedeutung von Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.
"Wie viele Menschen müssen sterben, bevor die Regierungen erkennen, dass eine Festung Europa in niemandes Interesse ist?", fragte Graham WATSON (ALDE/ADLE, UK). Die Zuwanderung zu steuern und zu regeln, sei sowohl in unserem eigenen Interesse als auch im Interesse derer, die zu uns kommen wollen.
Christiana MUSCARDINI (UEN, IT) erklärte, es gebe einen "dringenden Bedarf für eine gemeinsame EU-Politik". Frontex benötigte mehr finanzielle Ressourcen. Auch verlangte sie gemeinsame Regeln für die Asylpolitik.
"Emigration ist eine Tatsache", so Jean LAMBERT (GRÜNE/EFA, UK). Sie rief die Mitgliedstaaten zu "mehr Ehrlichkeit" hinsichtlich des Bedarfs an Arbeitsmigranten auf und drängte die Mitgliedstaaten, "keine Krokodilstränen" zu weinen, wenn zugleich eine Handelspolitik betrieben werde, die Menschen zur Auswanderung zwinge.
Giusto CATANIA (KVEL/NGL, IT) betonte, es müsse ein Ende haben "das Mittelmeer in einen Friedhof zu verwandeln". Man müsse die demografische Herausforderung angehen und jüngste Statistiken zeigten, dass die EU-Mitgliedstaaten bis 2030 20 Millionen Zuwanderer bräuchten.
Roger KNAPMAN (IND/DEM, UK) sagte, das Beispiel der Schweiz zeige, dass Einwanderung funktionieren könne. Die Schweiz lege jährlich Quoten fest, konzentriere sich auf die Integration von Zuwanderern und "verteile" sie auf die unterschiedlichen Kantone.
Für Marine LE PEN (ITS, FR) ist Massenregularisierung kein Ziel an sich und die Situation in Spanien, Belgien und Frankreich habe gezeigt, dass eine derartige Politik die Länder zu "Magneten" für Zuwanderung gemacht habe.
Alessandro BATTILOCCHIO (FL, IT) sagte, es müsse mehr auf die soziale Integration von Einwanderern und den Kampf gegen Menschenhändler gelegt werden. Das Budget von Frontex sei zu gering, um seinen Aufgaben nachzukommen.
Deutschsprachige Redner:
Manfred WEBER (CSU) betonte, angesichts zahlreicher Arbeitsloser in Europa werde es noch viel Kraft kosten, den Bürgern zu erklären, dass wir bei den Hochqualifizierten die besten Köpfe dieser Welt brauchen. Es müsse klargestellt werden, dass wir die Migranten in der Pflicht sehen, sich zu integrieren, die Sprache zu lernen und sich um Integration zu bemühen. "Wir werden nur dann auf Verständnis für eine legale Zuwanderung stoßen, wenn wir bei der illegalen Zuwanderung klar sagen: Illegale müssen Europa auch wieder verlassen", so Weber. Das allerwichtigste sei, dass die Frage wie viele Menschen auf einen Arbeitsmarkt kommen, nach wie vor in nationaler Kompetenz belassen werde.
Wolfgang KREISSL-DÖRFLER (SPD) sagte, es bedürfe umfassender Konzepte, um die legale Migration gemeinsam zu bearbeiten und zu koordinieren. Legale Migration heiße auch immer Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt und damit auch in die sozialen Sicherungssysteme. Er plädierte dafür, verstärkt die Ursachen dafür zu bekämpfen, warum viele Menschen "ihr Heil in der Flucht aus ihren desolaten Staaten suchen". Es müssten legale Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Die "Blue Card" und zirkuläre Migration seien ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Weitere Informationen:
- Den angenommenen Text des EP finden Sie in Kürze hier.
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