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Date :  2003-03-17
langue :  Allemand
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Kulturelle Vielfalt

Kulturelle Vielfalt


Angesichts einer profitgierigen übermäßigen Publizität, die ihre Bedeutung und ihren Wert selbst auflöst, erscheint es unerlässlich, aus der Kulturellen Vielfalt wieder ein Konzept zu machen und diesem Konzept jene eigene und außergewöhnliche Würde zurückzugeben, die in seinem zeitgenössischen Horizont fest verankert ist. Ich schlage fünf Begriffe vor, um die Kulturelle Vielfalt neu zu definieren: „Vielfalt“, „Kultur“, „Dynamik“, „Antwort“ und „Projekt“.

Die Kulturelle Vielfalt ist vielfältig, worin der erste Punkt der kollektiven Auslassung und des thematischen Abgleitens besteht. Ganz als ob jeder das Vielfältige der Vielfalt auf homogene oder identische Art und Weise verstünde – und, um genau zu sein: nicht auf eine vielfältigeArt und Weise! Dieses Vielfältige kann nicht mit seinen üblichen Synonymen wie dem Unterschiedlichen, dem Plural, dem Multiplen oder dem Verschiedenartigen vertauscht werden. Es erfordert eine logische Würde und eine eigene Ontologie. Man muss anerkennen, dass das Vielfältige der Vielfalt mit seinem allgemeinen Verständnis in den romanischen und angelsächsischen Sprachen nur ein schwacher und unscharfer Begriff ist – was mit Sicherheit noch kein Konzept darstellt. Um das Noch-nicht-Konzept der Vielfalt von seiner liebenswürdigen und durchaus erfolgreichen Unbestimmtheit zu lösen, erscheint der Rekurs auf die lateinische Bedeutung von diversus unabdingbar. Untersucht man die Verwendung bei Cäsar, Sallust, Tacitus, welche dieses Wort häufig benutzen, bemerkt man sogleich, dass die Bedeutung, die sich davon ableiten lässt, meist die des Gegenteils, des Divergierenden, des Widerspruchs, des Unterschieds im aktiven Sinn ist und eben nicht in dem Sinn, der heute dominierend ist – dem „Verschiedenartigen“, genauer gesagt dem „Multiplen“. Divertere bedeutet, sich in eine andere Richtung drehen, sich abwenden, sich trennen, sich entfernen. Es gibt eine ständige Dimension der Kampfbewegung, jedoch einfach auch jene des Lebens, das nichts mit der zählbaren oder verwaltungstechnischen Feststellung der Verschiedenheit oder der Vielfältigkeit zu tun hat.

Die Kulturelle Vielfalt ist kulturell! Dies ist weder eine Tautologie noch ein Truismus und zwar umso mehr, als der Weltgipfel über die nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (2002) ständig den künftigen Verlauf der biologischen Vielfalt mit dem der Kulturellen Vielfalt verwechselte und die Wichtigkeit, die beiden Auseinandersetzungen zugunsten der Erhaltung dieser beiden Arten von Vielfalt zusammenführte (1). Sich vorzustellen, sie zu „verstärken“, indem man sie naturalisiert – indem man sie wieder eingliedert in die natürliche Ordnung… — das wäre nicht nur naiv, sondern vom philosophischen und anthropologischen Standpunkt aus gesehen nahezu kriminell. Die logische Folge und Konsequenz daraus wäre demnach, ganz einfach die eigene Spezifizität der Kultur zu verneinen und die Tradition des modernen Denkens, die sie betrifft, auszuradieren.
Das diversus der kulturellen Vielfalt muss seine Etymologie wiedererlangen, um daran zu erinnern, dass es Kulturelle Vielfalt nur gibt – und nur dort geben kann – wo eine Auseinandersetzung kultureller Formen stattfindet, einerseits gegen „die Natur“, und ihre „Biovielfalt“ selbst, andererseits gegen andere kulturelle Formen. Das kulturell Vielfältige wird nur durch das Erproben dieser unaufhaltsamen doppelten Auseinandersetzung mit dem biologisch Vielfältigen und mit sich selbst (mit dem Anderen und dem Verschiedenartigen der Kulturen) zu dem, was es ist.

Die kulturelle Vielfalt muss dynamisch sein, und sie muss es ohne Unterlass sein, denn würde dies fehlen, ließe sie sich auf die tote Form des ererbten Inventars reduzieren. Auch das kann offensichtlich erscheinen, und trotzdem ist selbst die Idee, die „Kulturelle Vielfalt zu bewahren und zu fördern“, welche tatsächlich seit November 2001 mit der Verabschiedung der Universellen Deklaration der UNESCO allgemeine Bekanntheit erlangte, noch eindeutig zu statisch, auch wenn sie sich deutlich dem Prozess einer Bewegung verschreibt. Alles verläuft so, als ob es hauptsächlich darum ginge, zuerst zu normalisieren um danach besser „handeln“ zu können. Im Gegensatz zu dieser (politisch konventionellen) Haltung des systematischen Vermeidens dessen, was innerhalb des diversus zu Spannungen führen könnte, müssen die inhärenten Doppeldeutigkeiten und Widersprüche zu einer interkulturellen Dynamik aufgewertet werden: Die Forderung nach einer dynamischen Kulturellen Vielfalt setzt den Verzicht auf den engelhaften Charakter einer notwendigerweise guten Vielfalt voraus…

Die Kulturelle Vielfalt muss aus ihrem gewöhnlichen Status der „Frage“ austreten, um auch als „Frage“ verstanden zu werden. Innerhalb der geläufigen Wertschätzung der Kulturellen Vielfalt beschränken sich die Fragen, die sie aufwirft, auf sehr Weniges. Man stellt den Sinn und die Grenzen der Kulturellen Vielfalt in Frage; man bemüht sich, die Formen darin zu inventarisieren; es wird über das Verschwinden des kulturellen Erbes debattiert, etc. Aber in den Mittelpunkt der Überlegung und der Handlung wird nicht gestellt, dass sie der Idee folgt, eine Antwort zu sein: eine politische Antwort, eine soziale Antwort, eine erziehende Antwort, ja sogar eine ökonomische Antwort. Die Kulturelle Vielfalt muss gleichzeitig als Frage und Antwort wahrgenommen werden: eine ständig gestellte stechende Frage danach, was sein könnte und eine Antwort, die unentwegt findet, erfindet und sich findet. Die Antwort, die die Kulturelle Vielfalt in sich birgt, ist die Aufhebung im Hegelschen Sinn: das was auslöscht, indem es „erhält“ und „wieder erschafft“ - diese Aufhebung, die sich an ihre Geschichte erinnert, indem sie diese abschafft, die fähig ist eine solche Geschichte zu überwinden, indem sie ihre Verbrechen und Höhepunkte annimmt, eine Aufhebung, welche die Bewegung der Kultur weiter voranschreiten lässt.

Die Kulturelle Vielfalt muss das werden, was sie ist – oder was sie hätte nie aufhören dürfen zu sein – nämlich ein Projekt: ein kohärentes und systematisches Ganzes aus Analysen, Thesen, Zielen und Mitteln, welches von einer Interessensgemeinschaft (öffentliches Interesse und allgemeines Interesse) geteilt wird und von ihr herausgearbeitet wird, um die Ziele zu erreichen, die sie festgelegt hat. Zunächst handelt es sich um ein theoretisches Projekt. Die erste Notwendigkeit besteht in der Arbeit einer kritischen Neubegründung, welche dieses Konzept notwendigerweise in der Vernunft begründet sieht, und zwar ohne apriorische Einschränkung und unter all ihren Modalitäten sowie auf dem Prüfstein aller Kulturen – insbesondere der nicht-westlichen (diesbezüglich muss sogleich bemerkt werden, dass die betreffende Arbeit im Wesentlichen bereits vollzogen ist und dass es vor allem darum geht, sie - vielmehr als sie neu zu machen – zu versammeln und sie auf widersprüchliche und transdisziplinäre Art und Weise zu konfrontieren).

Weiters handelt es sich um ein rechtliches Projekt. Es geht darum, die Dinge dort wieder aufzunehmen, wo sie vernachlässigt worden sind und den Ansatz der Kulturellen Vielfalt unwiderruflich einerseits mit der Philosophie, den Geistes- und Sozialwissenschaften zu verbinden, andererseits mit dem öffentlichen Recht, dem Privatrecht und dem Völkerrecht. Es geht darum, wieder solide Verbindungen herzustellen zwischen diesen Ansätzen verschiedener Disziplinen, um sie im Rahmen einer Ausarbeitung eines Corpus der Kulturellen Vielfalt übereinstimmen zu lassen, der fähig ist, den aktuellen Erfordernissen der diplomatischen und wirtschaftlichen multilateralen Bühne zu entsprechen.
Schließlich handelt es sich um ein politisches Projekt. Auch hier muss jede mögliche Politik der Kulturellen Vielfalt in die Grundlagen eingeschrieben werden, die von der Philosophie, den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie dem Recht erschaffen worden sind. Wird nun die Kulturelle Vielfalt auch jenes wahrhaft politische Projekt werden, das sie unbedingt sein muss, um die Nichtreduzierbarkeit der großen Bereiche der Bildung, der Sprache und der Kultur durch die Sphäre des Marktes zu bestätigen, zu wiederholen, um dauerhaft die Unantastbarkeit ihrer normativen Regeln gegenüber dem Handelsrecht herauszustellen und um nach und nach auf die Strategie der unbeschränkten Herrschaft der privaten Großunternehmen mit einer Strategie der bedingungslosen Vormachtstellung des allgemeinen und öffentlichen Interesses zu antworten.


Übersetzt von Jörg Mirtl




Anmerkungen :

(1) s. Runder Tisch Diversité culturelle, diversité biologique et développement durable vom 03.09.2002 in Johannesburg (WSSD).


(This article synthesises a longer study by the same author. It can be found at the following address : http://www.mondialisations.org/php/public/art.php?id=6143&lan=DE)


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