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Brüssel, den 11. Juli 2006
Präsident Barroso ruft die G8 zur Grundsteinlegung für eine stabile Energiezukunft auf und unterbreitet neuen Vorschlag zur Unterstützung Afrikas
Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat heute auf einer Pressekonferenz die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten aufgefordert, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um eine Einigung über Grundsätze der Energiesicherheit herbeizuführen, die den Grundstein für eine stabile Energiezukunft bilden sollen. Eine der Hauptaufgaben der G8-Führer wird in Petersburg darin bestehen, sich auf gemeinsame Grundsätze der Energiesicherheit zu einigen, die für sämtliche Beteiligten der Energiekette in den Erzeuger-, Durchgangs- und Verbraucherländern gelten sollen. Zweites vorrangiges Ziel für die Europäische Kommission ist die beschleunigte Einlösung der umfangreichen Zusagen, die die G8 auf dem letztjährigen Gipfel in Gleneagles Afrika gegenüber gemacht haben. Die EU ist bestrebt, das Thema Afrika weiterhin in den Mittelpunkt der Gespräche zu stellen. Präsident Barroso hat heute in einem Schreiben an Präsident Putin darauf hingewiesen, dass die EU nicht nur dabei ist, ihrer in Gleneagles gemachten Zusage nachzukommen, die Hilfe für Afrika bis zum Jahre 2010 zu verdoppeln, sondern bereits Planungen für einen noch weiter gehenden, ehrgeizigen Vorschlag unternimmt, der die Einrichtung eines mit 3 Mrd. € ausgestatteten Fonds zur Förderung eines verantwortungsbewussten staatlichen Handelns vorsieht, welches eine entscheidende Voraussetzung für eine effiziente Verwendung von Finanzhilfen ist.
Präsident Barroso verwies in der heutigen Pressekonferenz in Brüssel auf die beiden vorrangigen Ziele, die er auf dem G8-Gipfel in St. Petersburg zur Sprache bringen möchte: „Im Energiebereich müssen wir das richtige Klima sowohl für Investitionen als auch für eine ungehinderte Energieversorgung zu schaffen. Die G8 müssen sich auf Grundsätze für eine zuverlässige, erschwingliche und nachhaltige Energieversorgung verständigen. Unser zweites Ziel ist es, dafür Sorge zu tragen, dass Afrika auch künftig ein zentrales Thema der G8-Gespräche bleibt. Mit den in Gleneagles gemachten Zusagen besteht die echte Hoffnung, dass der Armut in Afrika ein Ende bereitet werden kann. Gleichwohl müssen alle G8-Mitglieder ihren Einsatz weiter verstärken, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und zudem rascher handeln. Geld allein ist nicht genug: Zentrale Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung in Afrika ist ein verantwortungsbewusstes staatliches Handeln. Mit ihrem ehrgeizigen Vorschlag für einen mit 3 Mrd. € ausgestatteten Fonds zur Verbesserung der politischen Entscheidungsstrukturen unternimmt die EU einen großen entwicklungspolitischen Schritt zur Verwirklichung der Ziele von Gleneagles.
Hintergrund: Der G8-Gipfel und seine Hauptthemen
Der G8-Gipfel ist eine Zusammenkunft der führenden Industrieländer der Welt (Frankreich, Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Russland, Deutschland, Japan, Italien und Kanada). Der Präsident der Europäischen Kommission nimmt sowohl an den beiden jährlichen Gipfeltreffen als auch an den vorbereitenden Arbeiten durch seinen Vertreter („Sherpa“) als vollwertiges G8-Mitglied teil. Die auf G8-Gipfeln getroffenen Entscheidungen haben aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und des politischen Gewichts der G8-Mitglieder großen Einfluss auf die internationale Politik und die Weltwirtschaft.
Der russische G8-Vorsitz hat für den vom 15.-17. Juli in St. Petersburg stattfindenden G8-Gipfel die Bereiche Energiesicherheit, ansteckende Krankheiten und Bildung als Schwerpunktthemen festgelegt
Energiesicherheit:
Die gegenwärtige Lage
Weltweit ist ein neues Energiezeitalter angebrochen, das geprägt ist von steigender Energienachfrage sowie hohen und schwankenden Erdöl- und Erdgaspreisen. Die aktuellen Zahlen machen deutlich, dass sich die Öl- und Gaspreise in Europa in den letzten beiden Jahren praktisch verdoppelt haben. Prognosen zufolge wird die Importabhängigkeit Europas bis 2030 auf 70 % steigen. In der gesamten globalen Energiekette mangelt es an Investitionen: In den nächsten 20 Jahren werden über 16 Billionen € erforderlich sein, um die voraussichtliche Energienachfrage zu decken und die alternde Infrastruktur zu ersetzen. Außerdem wird unser Klima immer wärmer.
Was die EU von den G8 erwartet:
Hauptaufgabe des G8-Gipfels im Juli in St. Petersburg:
• Einigung auf gemeinsame Grundsätze für die globale Energiesicherheit, die für sämtliche Beteiligten der Energiekette in den Erzeuger-, Durchgangs- und Verbraucherländern gelten sollen. Dabei sollten sich die G8 zu folgenden Maßnahmen verpflichten:
• Einführung eines marktbasierten, das Kernstückstück des neuen Energierahmens bildenden Systems als fundamentalem Bekenntnis zu offenen, transparenten und wettbewerbsfähigen Energiemärkten, als beste Gewähr für ein effizient funktionierendes globales Energiesystem und als Schlüssel zur globalen Energiesicherheit;
• Diversifizierung von Nachfrage und Angebot bei den Energiequellen, beim Ursprungsland, bei der Beförderung und bei den Beförderungsmitteln. Dies schließt Änderungen in Bezug auf den Energieträgermix einschließlich eines etwaigen Rückgriffs auf Nuklearenergie ein. Es muss der klare Wille bestehen, den Umstieg auf ein Wirtschaftssystem mit niedrigen CO2-Emissionen beschleunigt voranzutreiben, die breite Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern und die Investitionen in innovative Energietechnologien zu verstärken;
• Förderung einer effizienteren Energienutzung als erschwinglichere und zudem umweltfreundlichere Möglichkeit zur Deckung des steigenden Energiebedarfs;
• Bekräftigung der in Gleneagles zum Bereich Klimawandel eingegangenen Verpflichtung zur Einhaltung der Ziele hinsichtlich Treibhausgasminderungen, zur Verbesserung der globalen Umwelt, zur Erhöhung der Energiesicherheit und zur Reduzierung der Luftverschmutzung.
Folgemaßnahmen zu Gleneagles – Afrika
Die drei wichtigsten Zusagen, die im Jahr 2005 auf dem Gipfel von Gleneagles getroffen wurden, betrafen die Bereiche Schuldenerlass, Finanzhilfe und Handel. So vereinbarten die G8-Führer einen vollständigen Schuldenerlass für 18 afrikanische Länder, finanzielle Hilfe für Entwicklungsländer in Höhe von 50 Mrd. US-Dollar und vorbereitende Arbeiten zum Abbau von Subventionen und Zöllen im Handelssektor. Im Gegenzug verpflichteten sich die politischen Führer Afrikas zu mehr Demokratie und einer verantwortungsvollen Staatsführung.
Im Vorfeld des G8-Gipfels von Gleneagles ging die Europäische Union eine Reihe wichtiger Verpflichtungen ein, durch die Europa eine führende Rolle in den Bereichen Außenhilfe und Handel übernahm. Sie wird bis zum Jahr 2010 80 % der 50 Mrd. US-Dollar bereitstellen, die zur Hälfte für Afrika verwendet werden sollten, und auf dem Ministertreffen in Hongkong im Dezember wurde ein Entwicklungshilfepaket einschließlich 2 Mrd. € für Handelshilfen ausgehandelt.
• Bei der finanziellen Hilfe ist Europa seinen Zusagen nachgekommen. Dabei hat es nicht nur die bis 2006 zugesagte Hilfe im Wert von 0,39 % des BNE geleistet, sondern wird, wie die Kommission bereits berichtet hat, diesen Betrag in diesem Jahr noch übertreffen und Hilfe im Wert von 0,42 % des BNE leisten.
• Was die Förderung eines verantwortungsbewussten staatlichen Handelns anbelangt, ist die EU derzeit nicht nur dabei ist, ihrer in Gleneagles gemachten Zusage nachzukommen, die Hilfe bis zum Jahre 2010 zu verdoppeln, sondern sie unternimmt bereits Planungen für einen noch weiter gehenden, ehrgeizigen Vorschlag zur Stärkung der politischen Entscheidungsstrukturen in Afrika, der die Bereitstellung von Fördermitteln in Höhe von rund 3 Mrd. € vorsieht, die die ursprünglichen Länderzuweisungen ergänzen sollen. Für die AKP-Länder sollen Mittel aus dem 10. EEF (rund 3 Mrd. € der insgesamt 22,7 Mrd. €) für eine Verwendung als Fördermittel vorgesehen werden. Ausschlaggebend für die Verteilung der Fördermittel, die als Ergänzung zu den ursprünglichen Länderzuweisungen gedacht sind, soll vor allem die Bewertung der vorhandenen politischen Entscheidungsstrukturen sowie der Relevanz, der Ziele und der Glaubwürdigkeit der staatlichen Reformbemühungen sein.
• Im Handelsbereich hat die Kommission, wie sie unlängst berichtet hat, vor kurzem ihr Allgemeines Präferenzsystem (APS) geändert und um 300 Erzeugnisse (zumeist aus den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei) erweitert. So wurde eine neue Regelung („ASP Plus“) für besonders schwache Länder eingeführt, die die wichtigsten internationalen Übereinkommen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung unterzeichnet und wirksam umgesetzt haben. Die Regelung sieht derzeit eine zollfreie Behandlung für 91 % aller Tarifpositionen vor und gewährt somit einen überaus großzügigen Handelszugang. Sie ergänzt die Sonderregelung „Alles außer Waffen“ für die am wenigsten entwickelten Länder (LDC), die einen zollfreien Zugang für nahezu alle Erzeugnisse aus diesen Ländern vorsieht.
• Gleichwohl müssen die Anstrengungen noch weiter verstärkt werden. Daher ist es dringend erforderlich, dass bei der Doha-Handelsrunde ein ausgewogenes, ehrgeiziges und der Entwicklung förderliches Ergebnis erzielt wird. Auf dieses Ziel wird die Kommission in den kommenden Tagen und Wochen hinarbeiten.
Bekämpfung ansteckender Krankheiten und Bildung:
Die gegenwärtige Lage
Krankheiten wie HIV/AIDS, Tuberkulose, Malaria oder Masern fordern nach wie vor einen hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tribut in der ganzen Welt, vor allem jedoch in den Entwicklungsländern. Wenngleich bei der Verwirklichung des von den Vereinten Nationen festgelegten Millenniumsziels der universalen Grundschulausbildung bis 2015 bereits Fortschritte erzielt worden sind, gibt es noch immer über 100 Mio. Kinder (darunter 59 Mio. Mädchen), die keine Schule besuchen.
Was die EU von den G8 erwartet:
• In den bisherigen Gesprächen über die Themen Bildung und ansteckende Krankheiten hat die EU die Entwicklungsagenda vorangetrieben, und zwar sowohl durch die Intensivierung des Kampfs gegen Krankheiten wie AIDS, Tuberkulose und Malaria, die so unverhältnismäßig stark und mit tödlichem Druck auf Afrika lasten, als auch durch die Förderung neuer Formen der Zusammenarbeit im Bildungsbereich in und zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern.
• Angesichts ihrer Verantwortung für die Verhütung und die Bekämpfung der Vogelgrippe hat die EU zudem die G8 dazu gedrängt, ihre internationale Koordinierung und Zusammenarbeit zur Verhütung und Bewältigung von Epidemien zu verstärken.
• Im Bildungsbereich kommt es darauf an, dass die G8 an ihrer in Gleneagles erfolgten Schwerpunktlegung auf Afrika und an ihrem Engagement für die Fast-Track-Initiative „Bildung für alle“ festhalten, damit raschere Fortschritte bei der Verwirklichung der Milleniumsziele erreicht werden.
• Gern würde die EU auch ihren großen Erfahrungsschatz aus der länderübergreifenden Bildungszusammenarbeit zwischen 25 bis 40 europäischen Ländern mit den G8 teilen, um die grenzüberschreitende Mobilität und ein lebensbegleitendes Lernen zu fördern. Zu diesem Zweck könnten den G8 so erfolgreiche EU-Modelle wie das Programm „Erasmus“, der Bologna-Prozess und das kommende Europäische Qualifikationsnetz als G8-Modell zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität und des sozialen Zusammenhalts zur Verfügung gestellt werden.
Nähere Informationen:
http://ec.europa.eu/commission_barroso/president/index_de.htm
http://ec.europa.eu/comm/external_relations/g7_g8/intro/index.htm