„Die Wirtschaft dürfte dieses Jahr sowohl in der Euro-Zone als auch EU-weit erheblich stärker wachsen als im Vorjahr“, so der für Wirtschaft und Finanzen zuständige Kommissar Joaquín Almunia. „Ein Wachstum entsprechend dem Potenzial oder geringfügig darüber ist allerdings nicht genug, und einige Länder sind noch weit davon entfernt, ihre Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Europa muss den eingeschlagenen Reformweg fortsetzen, Haushaltsungleichgewichte dort, wo sie bestehen, korrigieren und Raum für Ausgaben in den Bereichen FuE, Innovation und Bildung schaffen, wo sie am meisten benötigt werden. Nur so kann die Arbeitslosenquote weiter gesenkt werden.“
Die heute veröffentlichte Wirtschaftsprognose der Kommission sieht für die EU ein Wachstum von 2,3 % und für das Euro-Gebiet von 2,1 % voraus. Dies wären 0,75 % mehr als im Vorjahr und 0,2 % mehr als noch vor sechs Monaten vorausgeschätzt. Im Jahr 2007 dürfte das Wachstum dann mit 2,2 % in der EU und 1,8 % in der Euro-Zone etwas geringer ausfallen (siehe Tabellen).
Getragen wird das Wirtschaftswachstum 2006 von einer steigenden Inlandsnachfrage, insbesondere Investitionen in Geräte und Ausrüstungen, die in beiden Gebieten um mindestens 5 % zunehmen. Im Jahr 2005 lag die Wachstumsrate noch unter 4 %, während für 2007 rund 4,5 % prognostiziert werden. Auch der Export profitiert weiter vom starken Wachstum der Weltwirtschaft und der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen einiger EU-Mitgliedstaaten. Darüber hinaus haben sich die Aussichten in Deutschland verbessert, wo dieses Jahr ein Wachstum von 1,7 % (gegenüber 0,9 % im Vorjahr) erwartet wird. Für 2007 wird dann ein vorübergehender Rückgang auf 1,0 % prognostiziert. Zurückzuführen ist dies auf die geplanten Haushaltseingriffe, die sich über den Zweijahreszeitraum gemittelt wachstumsneutral auswirken dürften.
Wachstum durch Unternehmensinvestitionen
Dank ansteigender Investitionen hat die Wirtschaft seit dem zweiten Halbjahr 2005 wieder an Fahrt gewonnen. Dies ist insbesondere auf die Wiederherstellung des Vertrauens in die Wirtschaft, bessere Gewinnprognosen, günstige Finanzierungsbedingungen und zunehmende Ersatzinvestitionen nach einer langen Zeit geringen Investitionszuwachses zurückzuführen.
Durch ein anhaltend günstiges Umfeld dürften die Investitionen 2006 noch weiter zunehmen, bevor 2007 ein leichter Rückgang eintreten wird. Auch der private Verbrauch wird ansteigen, wenngleich in geringerem Maße, da sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nur langsam verbessert.
Langsamer Rückgang der Arbeitslosigkeit
Die Beschäftigungssituation hat sich 2005 leicht verbessert, und vor allem im Dienstleistungssektor soll der Trend sich noch weiter verstärken. Insgesamt dürften in der EU im Zeitraum 2006/2007 3,6 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, davon 2,4 Millionen in der Euro-Zone.
Allerdings wird die Arbeitslosigkeit nach wie vor nur langsam zurückgehen, da bei einer sich verbessernden Beschäftigungslage üblicherweise mehr Menschen in den Arbeitsmarkt drängen. Nachdem 2004 in beiden Gebieten ein Höchststand von 9 % erreicht worden war, begann die Quote im Jahr darauf zu sinken, was insbesondere den Strukturreformen an den Produkt- und Arbeitsmärkten zu verdanken ist. Im nächsten Jahr soll der Wert sowohl EU-weit als auch im Euro-Gebiet auf knapp über 8 % sinken.
Angesichts der steigenden Ölpreise blieb die Inflation 2005 mit 2,2 % (EU und Euro-Zone) bemerkenswert stabil. Trotz des raschen Anstiegs der Energiepreise ging die Kerninflation zurück, ein Hinweis darauf, dass der Ölpreisanstieg keine sekundären Folgen hatte. Da laut Prognose auch in Zukunft keine derartigen Folgen zu erwarten sind, wird für beide Gebiete davon ausgegangen, dass die Gesamtinflationsrate im Vorhersagezeitraum knapp über 2 % liegen wird.
Die öffentlichen Finanzen 2005 stellten sich besser als noch im Herbst erwartet dar. Diese positive Überraschung rührt daher, dass die Ausgaben geringer ausfielen als angenommen und damit der Einnahmerückgang mehr als ausgeglichen wurde. Trotz dieser allgemeinen Verbesserung besteht in sieben Mitgliedstaaten, von denen vier der Euro-Zone angehören, ein gesamtstaatliches Haushaltsdefizit von mehr als 3 % des BIP, dem im Maastricht-Vertrag festgelegten Grenzwert. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit im Verhältnis zum BIP dürfte 2006 mit 2,3 % in der EU und 2,4 % in der Euro-Zone unverändert bleiben, während für 2007 ein leichter Rückgang erwartet wird.
Aussichten weltweit nach wie vor positiv, aber Risiken bleiben
Die Wiederbelebung des Wachstums in der EU wird gestützt durch eine nach wie vor günstige weltweite Prognose. Das weltweite Wachstum dürfte in diesem Jahr 4,6 % und 2007 4,3 % erreichen. Obwohl das Wachstum in den USA zurückgeht, wird es sich im Prognosezeitraum bei etwa 3 % einpendeln, während für Asien (ohne Japan) Zuwachsraten über 7,5 % erwartet werden. In Japan selbst dürfte das Wachstum in diesem Jahr bei 2,8 % und 2007 bei 2,4 % liegen.
Die äußeren Einflüsse bergen jedoch Risiken für die wirtschaftlichen Aussichten Europas. Vor allem unangemessene Korrekturen der weltweiten Leistungsbilanzungleichgewichte gehören weiterhin zu den größten Abwärtsrisiken.
Kurzfristig gehen jedoch von den Ölmärkten die größten Risiken aus. Wegen der sehr geringen Kapazitätsreserven reagieren die Märkte äußerst empfindlich auf tatsächliche und potenzielle Versorgungsunterbrechungen. Da die derzeit hohen Ölpreise aufgrund geopolitischer Spannungen einen erheblichen Risikoaufschlag beinhalten, ist die Prognose (im Durchschnitt 68,9 USD je Barrel für 2006 und 71 USD für 2007) einem hohen Schwankungsrisiko unterworfen.
Die vollständige Frühjahrsprognose der Kommission