REACH steht für „Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien“. Federführender Ausschuss für die Behandlung von REACH ist der Ausschuss für Umweltfragen und Volksgesundheit. Weitere neun Ausschüsse nehmen an den Verhandlungen teil: der Industrie- und der Binnenmarktausschuss und in geringerem Maße die Ausschüsse für Beschäftigung, Wirtschaft und Währung, Internationalen Handel, Haushalt, Recht, Rechte der Frau sowie der Petitionsausschuss. Das zeigt, welche Bedeutung REACH für die Europäische Union und das Leben der Europäer hat. Im Verlauf der vergangenen Monate haben diese zehn Ausschüsse nahezu 5.000 Änderungen diskutiert. Davon werden letztendlich etwa 600 dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt – eine angemessene Zahl angesichts der Tatsache, dass die Vorschläge der EU-Kommission sich auf über tausend Seiten belaufen...
Auf dem Weg zu einem Konsens
Niemand bestreitet die Notwendigkeit von REACH, dessen wichtigstes Ziel der Schutz der Gesundheit und der Umwelt ist. Mittlerweile gibt es über 100.000 chemische Produkte auf dem europäischen Markt, die zum überwiegenden Teil niemals spezifisch im Hinblick auf ihre langfristigen Folgen bewertet worden sind. Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien belegt, dass Krankheiten wie Asthma, Missbildungen der Geschlechtsorgane, bestimmte Krebsarten und Berufskrankheiten oft von einer hohen Konzentration schädlicher chemischer Produkte in unserer Umwelt verursacht werden.
Aus diesem Grund soll mit REACH (in einem Zeitraum von gut zehn Jahren) ein umfassendes Register dieser Produkte und ihrer Eigenschaften zusammengestellt und die Verwendung unbedenklicherer Stoffe angeregt werden. Hersteller oder Importeure werden nicht nur die Pflicht haben, die von ihnen vertriebenen Produkte zu bewerten und zu registrieren, sondern außerdem alle Endanwender über potenzielle Risiken zu informieren. Die künftigen Bestimmungen werden außerdem den Informationsaustausch zwischen Unternehmen fördern, um die Zahl der Teststudien und Tierversuche zu reduzieren.
Ein umstrittener Ansatz
Obwohl die Ziele von REACH allgemein anerkannt werden, bestehen beträchtliche Differenzen darüber, wie dieses Ziele zu erreichen sind. Dies betrifft insbesondere die Verpflichtungen, die der chemischen Industrie auferlegt werden, in der EU-weit (direkt und indirekt) fünf Millionen Personen beschäftigt sind. Diese Aufspaltung in zwei Lager findet sich auch unter den Europaabgeordneten: den Vertretern der Wirtschaftsinteressen stehen jene gegenüber, für die Umweltschutz und öffentliche Gesundheit an erster Stelle stehen. Besonders groß ist die Kluft zwischen dem Umweltausschuss einerseits und dem Binnenmarkt- und Industrieausschuss andererseits, wobei es um die Frage geht, wie restriktiv die Auflagen für Unternehmen sein sollten. Bei einigen Schlüsselfragen sind die von beiden Seiten vorgeschlagenen Maßnahmen diametral entgegengesetzt. Außerdem gehen die Meinungen betreffend die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und die Ermutigung von Innovationen weit auseinander. Vor der bevorstehenden Plenarsitzung ist jedoch mit einer Annäherung der Positionen und mit gewissen Fortschritten bei den Verhandlungen zu rechnen.
Nach der Ersten Lesung des Europäischen Parlaments sind nun die Mitgliedstaaten im Ministerrat am Zug und müssen eine Entscheidung treffen. Genau wie das Parlament hat auch der Ministerrat (als zweites Organ der EU-Legislative) knapp zwei Jahre lang über REACH diskutiert. Großbritannien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, hofft, während der Sitzung des Wettbewerbsausschusses am 28. November eine politische Einigung herbeizuführen. Um den Gesetzgebungsprozess abzuschließen, muss sich der Ministerrat unter Berücksichtigung aller vom Parlament beschlossenen Änderungen auf eine gemeinsame Position verständigen. Andernfalls wird eine Zweite Lesung stattfinden, die zusätzliche Arbeit über einen Zeitraum von einem Jahr bedeuten könnte.
Allmähliche Umsetzung
Sobald eine Einigung zwischen Parlament und Ministerrat erzielt ist, wird REACH in Kraft treten, wobei Zieltermine im Einklang mit den verschiedenen Implementierungsprozessen festgelegt werden. Das gesamte Register wird frühestens 2017 abgeschlossen sein.
Die Gesundheits- und Umweltrisiken werden jedoch bereits im Vorfeld deutlich zurückgehen. Während der ersten (drei Jahre dauernden) Stufe des Prozesses sollen die schädlichsten sowie die in den größten Mengen (über tausend Tonnen) hergestellten Substanzen im Register erfasst werden (Karzinogene, Mutagene und Toxine, die bioakkumulierbar sind und die die Fortpflanzung beeinträchtigen). Wo dies möglich und nötig ist, müssen derartige Substanzen im Herstellungsprozess durch natürliche Stoffe ersetzt werden. Die EU wird somit einen wichtigen, konkreten Schritt in Richtung auf eine nachhaltige Entwicklung vollziehen.
REF: 20051109STO02123
Weitere Informationen :
Artikel über die Annahme von REACH durch den Ausschuss für Umweltfragen
REACH im Umweltausschuss