Ref. :  000001850
Date :  2001-09-19
langue :  Allemand
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Religionen

Religionen

Source :  Gwendoline Jarczyk


Die Debatte wird sich dahingehend anheizen, ob die religiöse Dimension eine wesentliche Komponente des „normalen“ Menschen ist oder ob es nur ein zufälliges Epiphänomen von zweitrangiger Bedeutung darstellt, welches nicht notwendigerweise in die Definition des Homo sapiens paßt. In diesem Fall wären wir befreit darüber nachzudenken, inwieweit diese persönliche Wahl das gegenwärtige Phänomen der Globalisierung des Austausches beeinflußt wird oder sich selbst davon beeinflußt findet, müsste man sich Gedanken über die Art und Weise machen, inwieweit die persönliche Meinung das zeitgenössische Phänomen des globalisierten Austausches von sozialen Gütern oder Ideen beeinflußt oder davon beeinflußt wird. Wir können die Frage aber auch umdrehen und uns nur auf die Beobachtung beschränken, die nicht von geringerer Bedeutung ist: Tatsache ist, dass Religionen existieren, die als historische Institutionen nicht vor Veränderungen, die unsere Welt kennzeichnet, geschützt werden können. Wie es auch der katholische Theologe Claude Geffré auf einer Veranstaltung mit den folgenden Zeilen eines Autors behauptete: „In modernen Zeiten wird der interreligiöse Dialog zum ersten Mal in der Geschichte durch das Bewußtsein darüber begünstigt, dass die Menschheit eine einzige Familie darstellt. Mit dem Zeitalter der Globalisierung hat die Menschheit ihr viertes Lebensjahr erreicht. Alle Männer und Frauen sind, ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer Kultur und ihres Glaubens Mitglieder ein und derselben Menschenfamilie (1).“

Handelt es sich hier um eine Aussage des gesunden Menschenverstandes? Dies liegt nicht auf der Hand, wenn wir in Betracht ziehen, dass jedes religiöse System, in seinem Wesen „totalitär“, glaubt, eine gewisse Unabhängigkeit von den Bewegungen der Geschichte zu haben, überzeugt davon, dass es da ist, jedermann zu vermitteln, was für die Wirklichkeit seiner Existenz und seines dauerhaften Glückes nötig ist.

Es gab eine Zeit, in der die Religion, in diesem Fall das Christentum, sich selbstverständlich in einen Teil der kulturellen Gesamtheit integrierte und als ein Element innerhalb des Ganzen akzeptiert werden musste. Cujus regio, ejus religio: Religiöse Zugehörigkeit wurde durch ethnische oder geographische Zugehörigkeit bestimmt. Der Besiegte nahm die Religion des Siegers an. Dann aber kam die Zersplitterung, gezwungenermaßen durch den Rückzug in die persönliche Entscheidung, dann die konsequente Zerstörung geographischer und politischer Zusammenhänge. Eine Koexistenz verschiedenartiger Gemeinschaften mußte bewerkstelligt werden, hier und da ein wenig gemildert durch öffentliche Anerkennung, im Innersten eines Staates, der „Religion mit der größten Anzahl, eine „Siegerliste“, welche den Bevölkerungsfluß und den Kulturaustausch modifizieren könnte, wenn nötig. Wer hätte noch vor fünfzig Jahren gedacht, dass der Islam in Frankreich die zweitgrößte Religion nach dem Christentum mit seinen verschiedenen Richtungen sein würde, dass unterschiedliche Glaubensgemeinschaften in gesetzlich sanktionierter gegenseitiger Toleranz leben müssen unter der Schirmherrschaft hochmütiger offizieller Neutralität, verkörpert in einer Laizität, die manchmal selbst die Allüren einer Staatsreligion mit all seinen Ritualen und Intoleranzen annimmt.

Das kommende „planetarische Zeitalter“ läßt die Totenglocke läuten, zumindest im Prinzip, für jede Eroberungsgesinnung– selbst wenn wir in Ländern oder Kontinenten die etablierten Beziehungen durch eine Art unglaublicher Kapillarbewegung sich verändern sehen ( so die zur Zeit spektakuläre fortschreitende Verbreitung des Islam auf dem afrikanischen Kontinent). Daraus entsteht ohne Zweifel eine neue Sichtweise: Die einer Relativisierung (Relativierung) der Zugehörigkeit, mehr gekennzeichnet durch innere Freiheit und soziale Toleranz. Ohne die widersprüchliche Tatsache zu vernachlässigen, die fast überall gilt, nämlich dass der Fundamentalismus eine Renaissance erfährt, sich aber auch die politischen Konflikte verschlimmert haben, deren religiöse Färbungen die Unlösbarkeit andeuten und versöhnende Bemühungen entmutigen.

Was die Religionen in ihrer Gesamtheit betrifft, so zeichnen sich neue Dinge ab, die jedoch noch nicht das Niveau von Sichtbarkeit und konkreter Effizienz erreicht haben. Seit einigen Jahrzehnten existiert ein Globales Bündnis von Religionen, ein vielversprechender Ort für den Austausch, es ist jedoch kaum denkbar, dass der Tag kommen wird, wo dies eine normative Rolle spielen wird. In Wahrheit ist es eher seine Aufgabe über allgemeine Fragen zu sprechen – in erster Linie jene zur Meinungsfreiheit und der Freiheit zur Auslebung seiner Kultur in allen Regionen und unter allen Regimen. Ein bescheidender Versuch, der Raum für die Verschiedenartigkeit des Glaubens läßt und keineswegs irgendeine Art von inhaltlicher Annäherung versucht. Außer anzuerkennen, dass der Glaube aller Religionen „das gleiche transzendente Ziel“(2) anstrebt, so wie es Papst Johannes-Paul II in Assisi im Jahr 1986 bei einem Treffen der führenden Köpfe einer großen Zahl Glaubensgemeinschaften tat, als er sie einlud, zusammen zu beten.

Solch eine Minimalanerkennung ist zweifelsohne die Frucht der Vermischung von Mentalitäten und Werten, die durch die Globalisierung der Information möglich- und unvermeidlich wurde und auch durch eine neue Neugier für Lebensweisen und Denkweisen, die bis dahin nur Anthropologen und Ethnologen interessierten. Der Akzent, der auf eine mögliche Einheit des Inhalts diverser religiöser Wahlmöglichkeiten gesetzt wird(alles mit dem notwendigen Respekt gegenüber dem Ausdruck und der Form), auch wenn es in der Ordnung eschatologisch (3) bleibt, ist das schon ein Zeichen unvergleichlicher einfacher Toleranz und ein Aufnehmen unterschiedlicher „Wege“, die eine intrinsische Gültigkeit erhalten für diese letzte allgemeine Endgültigkeit. Aber dennoch heißt das nicht, dass diese transzendentale Anerkennung eines Tages, und es muss eines Tages sein, sich für ein allgemeines historisches Fundament aufgibt. Noch einmal, was überlegt wurde, ist die Aussprache zwischen einer Universalität ohne Inhalt und den Besonderheiten, die sich selbst der gegenseitigen Anerkennung entziehen. Sicher ist, was die Religion betrifft, dass die Globalisierung niemals einer Art Uniformisation (Vereinheitlichung) gleichen wird.


Anmerkungen:
1. Claude Geffré, Profession théologien. Entretiens avec Gwendoline Jarczyk. Albin Michel 1999, p.152.
2. Was den Teil des Bewußtseins betrifft, der eine Gültigkeit a priori ungeachtet des Inhalts der konkreten Kenntnisse besitzt.
3. Was das Ende der Zeit und die Verwirklichung der Geschichte betrifft.



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