Die Europäische Kommission hat heute die Stellungnahme zum Antrag Kroatiens auf Beitritt zur Europäischen Union verabschiedet und an den Rat die Empfehlung gerichtet, mit Kroatien in Beitrittsverhandlungen einzutreten. Der Europäische Rat wird auf der Grundlage der Lagebewertung der Kommission zu entscheiden haben, ob und wann diese Verhandlungen eingeleitet werden. Gleichzeitig hat die Kommission den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die mit Kroatien zu schließende Europäische Partnerschaft gebilligt, die dem Geiste nach den Beitrittspartnerschaften entspricht, mit denen die Länder der derzeitigen Erweiterungsrunde bei den Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft unterstützt wurden. Die Europäische Partnerschaft baut auf den Erkenntnissen der Stellungnahme auf.
Kommissionspräsident Prodi erklärte dazu: "In den letzten Jahren hat Kroatien große Anstrengungen in Richtung EU-Mitgliedschaft unternommen, und die Kommission würdigt in ihrer Stellungnahme die dabei erzielten Fortschritte. Die Kommission ist deshalb nunmehr in der Lage, an den Rat die Empfehlung zu richten, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien in die Wege zu leiten. Das von Kroatien Geleistete beweist, dass die EU-Strategie für die westlichen Balkanstaaten(1) der geeignete Rahmen für wirtschaftliche und politische Fortschritte ist, und es bleibt zu hoffen, dass sich die übrigen Staaten der Region dadurch ermutigt fühlen, ihre Anstrengungen in Richtung europäische Integration nachhaltig zu verstärken. Ich hoffe, die kroatische Regierung wird die neue Europäische Partnerschaft dazu nutzen, ihre Reformbemühungen noch zielbewusster fortzuführen. Die Europäische Kommission wird dabei zwar nach Kräften mithelfen, doch über Tempo und Ausmaß der Fortschritte in Richtung EU-Mitgliedschaft entscheidet allein Kroatien."
Die Republik Kroatien hat am 21. Februar 2003 einen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union gestellt, und der Ministerrat hat die Kommission im April 2003 zur Vorlage einer Stellungnahme aufgefordert.
In der Stellungnahme überprüft die Kommission den Antrag daraufhin, inwieweit Kroatien inzwischen in der Lage ist, die vom Europäischen Rat 1993 in Kopenhagen fixierten Kriterien und die an den Stabilitäts- und Assoziationsprozess geknüpften Bedingungen zu erfüllen, die der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 29. April 1997 festgelegt hat, und die die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und die regionale Zusammenarbeit einschließen.
Den vorgenannten Kriterien der Stellungnahme zu Kroatiens Antrag entsprechen drei Schlussfolgerungen:
In Bezug auf die politischen Kriterien stellt die Stellungnahme fest, dass Kroatien über eine funktionsfähige Demokratie und stabile Institutionen als Garanten der Rechtsstaatlichkeit verfügt. Die Wahrung der Grundrechte wirft keine nennenswerten Probleme auf. Im April 2004 stellte die Hauptanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Carla Del Ponte, fest, dass Kroatien nunmehr in vollem Umfang mit dem Strafgerichtshof zusammenarbeitet. Kroatien muss bei dieser vollen Unterstützung bleiben und alle erforderlichen Schritte unternehmen, damit die noch verbliebene unter Anklage stehende Person gestellt und an den Strafgerichtshof ausgeliefert werden kann. In den Bereichen Minderheitenrechte, Rückführung der Flüchtlinge, Justizreform, regionale Zusammenarbeit und Korruptionsbekämpfung muss Kroatien weitergehende Anstrengungen unternehmen.
Die Kommission bekräftigt, dass Kroatien die vom Europäischen Rat 1993 in Kopenhagen aufgestellten politischen Kriterien und die vom Rat 1997 an den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess geknüpften Bedingungen erfüllt.
In Bezug auf die wirtschaftlichen Kriterien kommt die Stellungnahme zu dem Schluss, dass Kroatien als funktionierende Marktwirtschaft zu betrachten ist. Das Land dürfte mittelfristig in der Lage sein, in der Union im Wettbewerb zu bestehen und sich den Marktkräften gewachsen zu zeigen, vorausgesetzt, es fährt in der Verwirklichung seines Reformprogramms fort und beseitigt verbleibende Schwachstellen.
Die Fähigkeit Kroatiens, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen, wird in der Stellungnahme einer eingehenden Prüfung unterzogen, wobei nach den 29 Kapiteln des gemeinschaftlichen Besitzstandes vorgegangen wird, die den Verhandlungen mit den Ländern zugrunde lagen, die am 1. Mai der EU beitreten. Die Stellungnahme kommt zu dem Schluss, dass Kroatien insgesamt mittelfristig in der Lage sein wird, die übrigen aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen, vorausgesetzt, es leistet erhebliche Anstrengungen, um den gemeinschaftlichen Besitzstand zu übernehmen und in der Praxis wirksam anzuwenden. Eine vollständige Angleichung an das EG-Recht im Bereich Umweltschutz kann jedoch nur langfristig erreicht werden und benötigt zudem höhere Investitionen.
Die Europäische Partnerschaft, die die Beziehungen EU-Kroatien einen großen Schritt voranbringt, hat ihr Vorbild in den Beitrittspartnerschaften, die zwecks Vorbereitung der neuen Mitgliedstaaten auf den Beitritt konzipiert wurden. Die Europäische Partnerschaft ist auf die besonderen Erfordernisse Kroatiens zugeschnitten und weist kurz- und mittelfristige Prioritäten für 12-24 Monate bzw. 3-4 Jahre aus. Mit der Partnerschaft hat die kroatische Regierung die Möglichkeit, die Reformanstrengungen und die verfügbaren Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, in denen sie am notwendigsten sind. Die zuständigen Behörden werden einen detaillierten Plan zur Umsetzung der Prioritäten der Europäischen Partnerschaft vorlegen müssen, aus dem hervorgeht, welche Maßnahmen konkret nach welchem Zeitplan vorgesehen sind; in dem Plan wird ferner offen zu legen sein, inwieweit Personal und Finanzmittel für die zu bewältigenden Aufgaben eingesetzt werden.
Die in der Europäischen Partnerschaft als prioritär ausgewiesenen Maßnahmen spielen zudem bei der künftigen Bereitstellung von Finanzhilfe seitens der EG eine Rolle.
Die Stellungnahme zum Antrag Kroatiens kann unter folgender Adresse abgerufen werden:
http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/croatia/index.htm
Weitere Informationen:
Die Beziehungen der EU zu Südosteuropa (u.a. westliche Balkanländer) Überblick
http://europa.eu.int/comm/external_relations/see/index.htm
(1) Zu den westlichen Balkanstaaten zählen: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien, Serbien und Montenegro einschließlich Kosovo (entsprechend der Festlegung der WSRR 1244)