Die Kommission hat heute zwei Empfehlungen für Empfehlungen des Rates im Zusammenhang mit dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit in Bezug auf Deutschland angenommen. In der ersten - einer Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 8 - wird festgestellt, dass die von Deutschland im Jahr 2003 getroffenen Maßnahmen unzureichend sind, so dass das übermäßige Defizit im Jahr 2004 bestehen bleibt. Mit der zweiten - einer Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 9 - wird Deutschland aufgefordert, neue Maßnahmen zu treffen, um das Haushaltsdefizit zu senken und dem Defizit bis spätestens 2005 abzuhelfen. Um zu vermeiden, dass Deutschland 2005 im vierten Jahr in Folge ein übermäßiges Defizit verzeichnet, sollte die Haushaltsanpassung nach Ansicht der Kommission im Jahr 2004 höher ausfallen als in dem Haushaltsentwurf für 2004 projiziert. Es wird empfohlen, das konjunkturbereinigte Defizit im Jahr 2004 um 0,8% des BIP zu senken. Alles in Allem sollten die Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen eine dauerhafte Verbesserung des gesamtstaatlichen Saldos gewährleisten. Bei der Konzeption der im Hinblick auf die Befolgung dieser Empfehlungen zu treffenden Maßnahmen sollte Deutschland die im Rahmen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2003-20051 formulierten Empfehlungen des Rates berücksichtigen. Sie verdeutlichen, dass dem unzureichenden Wachstum der deutschen Wirtschaft vor allem durch Strukturreformen beigekommen werden muss. Die heutige Entscheidung folgt auf die Empfehlung des Rates nach Artikel 104 Absatz 7 EG-Vertrag vom 21. Januar 2003.
Nach den am 29. Oktober veröffentlichten Herbstvorausschätzungen der Kommission wird sich das Defizit im Jahr 2003 auf über 4% des BIP belaufen; dies bedeutet, dass - entgegen den im Frühjahr geäußerten Erwartungen - trotz der von Deutschland getroffenen Maßnahmen weder das nominale noch das konjunkturbereinigte Defizit gesenkt worden ist. Damit bestätigen die Vorausschätzungen die von den deutschen Behörden öffentlich geäußerte Auffassung, dass das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2004 3% des BIP überschreiten dürfte.
Trotz der im Jahr 2003 getroffenen Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen verstößt Deutschland somit gegen die zweite Empfehlung des Rates nach Artikel 104 Absatz 7, die am 21. Januar 2003 erging. Folglich wird Deutschland das übermäßige Defizit nicht - wie vom Rat gefordert - bis 2004 beenden. Die Kommission ist nach den Vorschriften des Artikels 104 Absatz 8 EG-Vertrag und der Verordnung 1466/97, welche Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist, verpflichtet, den Rat hiervon in Kenntnis zu setzen und weitere Schritte nach Artikel 104 Absatz 9 des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu empfehlen.
Bei der Vorbereitung ihrer Empfehlungen prüfte die Kommission verschiedene Argumente:
* Das reale BIP-Wachstum wird im Zeitraum 2003-2004 rund 2 Prozentpunkte niedriger ausfallen als in den Herbstvorausschätzungen 2002 erwartet.
* Die finanzpolitischen Anstrengungen, die erforderlich sind, um das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2004 unter den Referenzwert des EG-Vertrages von 3% des BIP abzusenken, sind nun größer als im Januar 2003 erwartet, als der Rat die Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 annahm. Ausgehend von den Herbstvorausschätzungen 2003 der Kommission wird die erforderliche Verbesserung des konjunkturbereinigten Haushaltssaldos gegenwärtig auf eine Größenordnung von 1,3 Prozentpunkt geschätzt.
* Der Anstieg des gesamtstaatlichen Defizits in Deutschland in den vergangenen Jahren gibt Anlass zu großer Besorgnis. Wird er nicht korrigiert, so wird er zu einer anhaltenden und starken Zunahme der Schuldenquote führen, was die Erwartungen der Marktteilnehmer negativ beeinflussen und dem Wachstum abträglich sein kann. Auch werden die Auswirkungen der alternden Bevölkerung ab 2010 stärker spürbar werden, was die rasche Rückführung des gesamtstaatlichen Defizits und Schuldenstands noch dringlicher macht.
Nach Prüfung dieser Argumente hat die Kommission beschlossen, Deutschland - ebenso wie für Frankreich vorgeschlagen - ein weiteres Jahr für die Korrektur des übermäßigen Defizits einzuräumen. Um ein Fortbestehen des übermäßigen Defizits im Jahr 2005 zu vermeiden, sollte die über zwei Jahre (2004-05) verlangte Haushaltskonsolidierung von insgesamt 1,3% nach Ansicht der Kommission zu rund zwei Dritteln im ersten Jahr, d.h. 2004, realisiert werden. Damit wird von Deutschland relativ gesehen eine ebenso große Anstrengung verlangt wie von Frankreich.
Auf dieser Grundlage hat die Kommission dem Rat eine Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 9 vorgelegt, mit der Deutschland aufgefordert wird,
- dem derzeitigen übermäßigen Defizit so schnell wie möglich, spätestens aber bis 2005, ein Ende setzen;
- im Jahr 2004 eine Verbesserung des konjunkturbereinigten Haushaltssaldos um 0,8 Prozentpunkte des BIP zu erreichen.;
- im Jahr 2005 eine weitere Verringerung des konjunkturbereinigten Defizits um mindestens 0,5 Prozentpunkte des BIP oder mehr zu erreichen, um zu gewährleisten, dass das gesamtstaatliche Defizit deutlich unter 3% des BIP liegt;
- etwaige gegenüber den Erwartungen höhere Einnahmen zum Defizitabbau zu verwenden und, sollte der wirtschaftliche Aufschwung stärker ausfallen als derzeit erwartet, das konjunkturbereinigte Defizit schneller zurückzuführen.
Bei der Konzeption der Maßnahmen zur Umsetzung der in dieser Entscheidung enthaltenen Empfehlungen sollte Deutschland die vom Rat im Rahmen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik abgegebenen Empfehlungen berücksichtigen. Außerdem sollten die Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen eine dauerhafte Verbesserung des gesamtstaatlichen Haushaltssaldos gewährleisten und darauf ausgerichtet sein, die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern und das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft zu erhöhen.
Die deutsche Regierung wird gebeten, der Kommission bis zum 9. Januar 2004 einen Bericht vorlegen, aus dem hervorgeht, wie das Land seine angekündigten Beschlüsse, den Empfehlungen nach Artikel 104 Absatz 9 Folge zu leisten, umzusetzen gedenkt. Außerdem wird die deutsche Regierung in den kommenden zwei Jahren vier Umsetzungsberichte vorlegen, die es Kommission und Rat ermöglichen, die Fortschritte Deutschlands bei der Korrektur des übermäßigen Defizits zu beurteilen. Diese Berichte sollten im April und Oktober jeden Jahres im Anschluss an die im Rahmen des Defizitverfahrens zweimal jährlich erfolgende Meldung der Defizit- und Schuldenstandsdaten vorgelegt werden.
1 http://ue.eu.int/emu/de/index.htm